Entscheidungsstichwort (Thema)
Stufensystematik bei Höhergruppierung im TV-L. Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien. Keine Gleichbehandlung von "wesentlich Ungleichem". Analoge Anwendung von Gesetzes- und Tarifvorschriften
Leitsatz (amtlich)
Es besteht kein Anspruch auf stufengleiche Höhergruppierung nach § 17 IV S. 1 TV-L.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in der unteren Entgeltgruppe erworbene, in der Stufenzuordnung dokumentierte Berufserfahrung wird bei einer Höhergruppierung im TV-L nicht berücksichtigt. Nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien des TV-L hat der höhergruppierte Beschäftigte keine Berufserfahrung, die ihm in der Entgeltstufe noch zugutekommen könnte, welcher er nach seiner Höhergruppierung zugeordnet worden ist.
2. Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Ihnen kommt als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihnen steht hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und der betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie sind nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen.
3. Nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien sind die Arbeitnehmer, die einen ununterbrochenen Erfahrungsgewinn in der niedrigeren Entgeltgruppe zu verzeichnen haben, und die Arbeitnehmer, deren Erfahrungsgewinn durch die Höhergruppierung unterbrochen worden ist, hinsichtlich der im Zeitpunkt der Höhergruppierung „angebrochenen“ Stufenlaufzeiten von vornherein nicht zu vergleichen.
4. Eine Analogie kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn die normative Regelung planwidrig lückenhaft erscheint und zur Ausfüllung der Lücke die Übertragung der Rechtsfolge eines normativen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber in der Norm nicht geregelten Tatbestand erforderlich ist.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; TV-L § 17 Abs. 4 S. 1, § 16 Abs. 2; BGB § 315; TVÜ-Länder § 29 Abs. 3 S. 1; TV-L §§ 12, 16 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 27.11.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1292/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 27.11.2019 – 3 Ca 1292/19 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz weiterhin über die Frage, ob die Klägerin zum 01.01.2019 stufengleich von der Entgeltgruppe 11 in die Entgeltgruppe 13 höherzugruppieren war.
Die Klägerin ist aufgrund Arbeitsvertrages vom 09.06.2009 ab 01.08.2009 bei dem Beklagten als Lehrerin beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst der Länder für den Freistaat Sachsen in der jeweils aktuellen Fassung Anwendung.
§ 4 des Arbeitsvertrages verweist hinsichtlich der Eingruppierung auf die Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte an öffentlichen Schulen, die sogenannten Sächsischen Lehrer – Richtlinien.
Im Arbeitsvertrag der Klägerin wurde die Entgeltgruppe 11 TV – L angegeben.
Die 1970 geborene Klägerin hat die Berufsausbildung zur Lehrerin, einschließlich Referendariat mit 48 Jahren beendet. Sie verfügt über zwei Staatsexamen für das Lehramt an Grundschulen.
Die Eingruppierung der Klägerin erfolgte bei Arbeitsaufnahme in die Entgeltgruppe 11 Stufe 1 TV – L. Im Januar 2019 war die Klägerin in die Entgeltgruppe 11 Stufe 4 eingruppiert. Für Januar 2019 erhielt die Klägerin eine Bezügemitteilung über 4.202,70 € brutto. Bei Verbleib in der Entgeltgruppe 11 wäre die Klägerin zum Februar 2019 in die Stufe 5 aufgerückt. Die Klägerin erhielt für Februar 2019 eine Bezügemitteilung über 4.761,75 € brutto.
Zum 01.01.2019 wurde das Sächsische Besoldungsgesetz für die Beamten im Freistaat Sachsen geändert. Die Eingruppierung eines Grundschullehrers als Beamter wurde von der bisherigen A 12 auf A 13 angehoben. Dies entspricht der Entgeltgruppe 13 TV-L für die Tarifangestellten.
Durch Änderungsmitteilung vom 03.05.2019 (Anl. 6; Bl. 19 der Akte) nahm der Beklagte rückwirkend auf den 01.01.2019 eine Höhergruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 13 vor. Innerhalb der Entgeltgruppe 13 nahm der Beklagte eine Zuordnung zur Stufe 3 TV – L vor. Zur Begründung wird auf die erfolgte Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes verwiesen. Durch Änderung des Gesetzes bezüglich der Beamtenbesoldung und versorgungsrechtlicher Vorschriften hat sich die Besoldungsgruppe A 12 in die Besoldungsgruppe A 13 geändert.
Für Mai 2019 erteilte der Beklagte eine Bezügemitteilung für die Klägerin über 4.303,15 € brutto (Anl. 4; Bl. 12 der Akte).
Die Klägerin behauptet, bei Verbleib in der Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TV – L hätte das Gehalt der Klägerin im Januar 2019 4.288,02 € und ab Februar 2019 in der Entgeltgruppe 11 Stufe 5, 4.863,90 € brutto betragen.
Die Klägerin ist der Ansicht, durch die Höh...