Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit des Klageantrags in der Feststellungsklage. Stufenzuordnung nach jeder Einstellung gem. § 16 Abs. 2 TV-L. Anforderungen an das Tarifmerkmal "einschlägige Berufserfahrung"
Leitsatz (redaktionell)
1. Ergibt sich aus dem Antragswortlaut die Verpflichtung des Beklagten zur Auszahlung der sich aus der Stufenzuordnung ergebenden Vergütungsdifferenzen, verfolgt der Kläger offenkundig das Ziel, die Verpflichtung des Beklagten feststellen zu lassen, ihm das Entgelt aus einer bestimmten Stufe einer Entgeltgruppe des TV-L zu zahlen. In diesem Sinn ist der Antrag als im öffentlichen Dienst allgemein übliche Stufenfeststellungsklage zulässig.
2. Wird ein zuvor befristet Beschäftigter von seinem bisherigen Arbeitgeber erneut eingestellt, liegt eine Einstellung i.S.v. § 16 Abs. 2 TV-L vor. Diese Tarifnorm differenziert nicht zwischen Neu- und Wiedereinstellung. Bei jeder Einstellung ist eine Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 TV-L erforderlich.
3. Eine einschlägige Berufserfahrung setzt voraus, dass der neu eingestellte Beschäftigte bezogen auf die gesamte Bandbreite der nunmehr geschuldeten Arbeitsleistung einsatzfähig ist. Die Beurteilung, ob eine einschlägige Berufserfahrung vorliegt, bezieht sich stets auf die in Aussicht genommene Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber. Bei dieser Prüfung ist ein tätigkeitsbezogener Vergleich zwischen den in der Vergangenheit erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten mit den nach der Einstellung künftig zu bewältigenden Aufgaben erforderlich. Entscheidend ist, dass der Beschäftigte unmittelbar nach der Einstellung seine neue Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen kann.
Normenkette
TV-L § 16 Abs. 2-3, § 17 Abs. 4; TzBfG § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 18.08.2020; Aktenzeichen 9 Ca 1869/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18.08.2020 - 9 Ca 1869/19 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit einer Höhergruppierung über die zutreffende Stufenzuordnung.
Hinsichtlich des unstreitigen Vorbringens der Parteien, des streitigen Vorbringens erster Instanz und hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 und 3 Satz 2 ArbGG von einer Darstellung eines eigenen Tatbestandes abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Mit seinem dem Beklagten am 08.09.2020 zugestellten Urteil vom 18.08.2020 hat das Arbeitsgericht nach den Anträgen der Klägerin erkannt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 05.10.2020 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 05.11.2020 ausgeführten Berufung.
Der Beklagte vertritt die Ansicht, das Arbeitsgericht habe klare tarifliche Wertungen und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts missachtet. Unter Berücksichtigung des vom Bundesarbeitsgerichts herausgearbeiteten Grundsatzes, dass die in einer niedriger bewerteten Tätigkeit erworbene Berufserfahrung bei einer (Neu-)Einstellung nicht berücksichtigt werden könne, könne die Klägerin in der mit der Entgeltgruppe 10 TV-L bewerteten Tätigkeit in der Vergangenheit keine Berufserfahrung für die ab dem 01.04.2017 ausgeübte, der Entgeltgruppe 11 TV-L entsprechende Tätigkeit erworben haben. Nach dem Konzept der Tarifvertragsparteien spiele die Berufserfahrung, die ein Beschäftigter in einer niedrigeren Entgeltgruppe erworben habe, für die neue, höherwertige Tätigkeit keine Rolle mehr und werde entsprechend „auf Null gesetzt“. Das Bundesarbeitsgericht habe das Konzept der Tarifvertragsparteien ausdrücklich als noch von deren Einschätzungsprärogative gedeckt erachtet. Über die Entscheidung der Tarifvertragsparteien könne er sich daher nicht hinwegsetzen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18.08.2020 - 9 Ca 1869/19
- abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt die angegriffene Entscheidung mit Rechtsausführungen als zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2021 (Bl. 282 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sowie ausgeführte Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18.08.2020 ist zurückzuweisen, denn sie ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht nach den Anträgen der Klägerin erkannt. Die Klage ist sowohl zulässig als auch begründet.
A.
Der Feststellungsantrag ist mit dem durch Auslegung ermittelnden Verständnis gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
Nach seinem Wortlaut begehrt die Klägerin mit ihrem Antrag die Feststellun...