Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des TV-L hinsichtlich der Stufenzuordnung bei mehreren vorherigen Arbeitsverhältnissen bei verschiedenen Arbeitgebern
Leitsatz (redaktionell)
1. 16 Abs. 2 S. 2 TV-L ist dahingehend auszulegen, dass nicht nur mehrere vorherige Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber, sondern auch solche bei anderen Arbeitgebern Berücksichtigung finden, sofern die Tätigkeit zu einschlägiger Berufserfahrung geführt hat und keine schädliche Unterbrechung gegeben ist.
2. Die Anrechnung kann im Zuge gesetzeskonformer Auslegung auch durch die Berücksichtigung bei der Stufenlaufzeit nach § 16 Abs. 2 TV-L erfolgen.
Normenkette
TV-L § 16 Abs. 2 Sätze 2-3, Abs. 3; TzBfG § 4 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 18.03.2015; Aktenzeichen 11 Ca 3014/14) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18.03.2015 - 11 Ca 3014/14 - wird auf Kosten des Beklagten
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung des Klägers nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (im Weiteren: TV-L) vom 12. Oktober 2006.
Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.05.2013 ein bis zum 31.12.2016 befristetes Arbeitsverhältnis, der Kläger wird nach der Entgeltgruppe 10, Stufe 3 vergütet.
In § 3 des Vertrages ist vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis die Vorschriften des TV-L und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.
Die hier einschlägigen Regelungen des TV-L lauten:
"§ 16
(1) ...
(2) Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorher befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3.
(3) Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):
- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1
- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2
- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3
- ...
Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 geregelt."
(Abweichungen betreffen Beschäftigte im Pflegedienst, hier nicht einschlägig).
Zuvor wurde der Kläger bereits mit Vertrag vom 17.03.2011 für die Zeit vom 01.05.2011 bis 30.04.2013 vom Beklagten ebenfalls befristet eingestellt. Mit der damaligen Einstellung erkannte der Beklagte eine Vorbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber mit einer "einschlägigen Berufserfahrung" im Tarifsinne von 4 Jahren und 212 Tagen an. Dementsprechend erhielt der Kläger (z.T. rückwirkend) ab dem 01.05.2011 Vergütung nach der Entgeltgruppe 10, Stufe 3. Die vom Kläger für den Beklagten ausgeführten Tätigkeiten haben sich vom Jahr 2011 bis dato nicht geändert.
Mit Schreiben vom 03.09.2013 machte der Kläger die Stufenzuordnung zur Stufe 4 ab dem 01.05.2014 geltend. Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 08.10.2013, ein entsprechender Stufenaufstieg könne nicht anerkannt werden, die Voraussetzungen seien erst ab dem 01.05.2016 erfüllt (siehe Bl. 21/22 d.A.).
Mit seiner am 10.10.2014 beim Arbeitsgericht eingegangen, dem Beklagten am 20.10.2014 zugestellten Klage macht der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten geltend, ihn - den Kläger - ab dem 01.05.2014 zunächst bis zum 31.12.2016 nach der Entgeltgruppe 10, Stufe 4 zu vergüten.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass es bei der Anrechnung der Vorbeschäftigungszeit bei einem anderen Arbeitgeber bleiben müsse und die sich daran anschließende Tätigkeit beim Beklagten auf die Stufenlaufzeit dergestalt auswirke, dass der Aufstieg in Stufe 4 zum 01.05.2014 vollzogen sei. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgend gehe der Beklagte zwar zu Recht davon aus, dass mit der Einstellung des Klägers zum 01.05.2013 eine "Einstellung" im Sinne des § 16 Abs. 2 TV-L vorliege, mit der Folge, dass eine Stufenzuordnung nach dieser Vorschrift zu erfolgen habe. Unzutreffend komme der Beklagte dann aber zu dem Ergebnis, dass die Zeit der vorhergehenden Tätigkeit für den Beklagten in der Entgeltgruppe 10, Stufe 3, keine Anrechnung finden könne. Mit dieser Auffassung verstoße der Beklagte gegen § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG, der Kläger werde gegenüber einem unbefriste...