Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Urteil vom 23.06.1996; Aktenzeichen 15 Ca 2992/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 23.06.1996 – 15 Ca 2992/95 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten weder außerordentlich noch ordentlich zum 30.09.1995 aufgelöst wurde.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die die Beklagte mit Schreiben vom 28.02.1995, dem Kläger zugegangen am 01. oder 13.03.1995, ausgesprochen hat.
Der am 29.06.1961 geborene Kläger war seit 01.11.1983 bei der Beklagten im Brandschutzamt, dort zuletzt als Truppführer, beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt ist mit DM 3.500,00 angegeben.
In einem „Antrag auf Überprüfung” vom 05.06.1991 hat der Kläger erklärt, daß er zu keiner Zeit hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit war, keine materielle Zuwendungen oder Vergünstigungen von diesen Dienststellen erhalten und niemals wissentlich Informationen über ihn bekannte Personen an diese Dienststellen weitergegeben habe.
Vom 04.11.1980 bis 28.10.1983 leistete der Kläger seinen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) ab und gab dabei gegenüber dem MfS eine maschinenschriftliche Verpflichtungserklärung ab. Diese trägt zwar kein Datum, die Unterzeichnung erfolgte jedoch unstreitig am 05.03.1982. In der Folgezeit war der Kläger bis zum 12.04.1984 als GMS (Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit) registriert. Sein Deckname lautete „S.”. Aus dieser Zeit stammen zumindest zwei vom Kläger handschriftlich verfaßte Berichte, sowie ein mündlicher Bericht als Tonbandabschrift. Insgesamt sollen 5 Treff berichte vorliegen, der letzte datiert vom 16.02.1983.
Durch den Einzelbericht zum Schreiben des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (fortan: Gauck-Auskunft), bei der Beklagte Mitte Januar 1995 eingegangen, erlangte diese Kenntnis von der Erfassung des Klägers als GMS. Am 30.01.1995 wurde der Kläger zu den Vorwürfen angehört und ihm eine Bedenkzeit zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages bis zum 10.02.1995 gewährt.
Der Gesamtpersonalrat war mit einem Schreiben vom 21.02.1995, unterzeichnet vom Oberbürgermeister der Beklagten, über die beabsichtigte Kündigung informiert worden. Die Arbeitnehmervertretung widersprach in der Sitzung vom 27.02.1995 der fristlosen Kündigung, die ordentliche wurde „zur Kenntnis genommen”.
Mit Schreiben vom 28.02.1995, dem Kläger zugegangen spätestens am 13.03.1995, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos zum 03.03.1995 und hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin gekündigt. Dagegen hat der Kläger am 22.03.1995 Kündigungsschutzklage erhoben.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es lägen weder Gründe für eine fristlose noch für eine ordentliche Kündigung vor. Wegen der nur kurzen Zeit der Tätigkeit für das MfS, den besonderen Umständen seiner Verpflichtung, seines damals jugendlichen Alters und seiner derzeit nicht exponierten Stellung bei der Feuerwehr sei es der Beklagten durchaus zumutbar, ihn weiterzubeschäftigen. Schließlich sei er zur Zusammenarbeit mit dem MfS genötigt worden. Er sei beim Ausfüllen seiner Erklärung davon ausgegangen, daß unter Tätigkeit für das MfS nicht die Zeit bei der NVA gemeint war.
Nach seiner Meinung habe die Beklagte zudem ihr fristloses Kündigungsrecht verwirkt, da sie erst 2 Monate nach Erhalt der Gauck-Akte die Kündigung ausgesprochen habe. Er halte auch die Personalratsbeteiligung für fehlerhaft.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 28.02.1995, zugegangen am 13.03.1995, noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 28.02.1995, ebenfalls zugegangen am 13.03.1995, aufgelöst worden ist.
- Hilfsweise, wird beantragt, für den Fall des Obsiegens zu Antrag 1., die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Kündigung, unter Berufung auf die Gauck-Auskunft damit begründet, daß der Kläger vom 05.03.1982 bis zum 16.02.1983 als GMS für das MfS tätig gewesen, die Werbung aufgrund politischer Überzeugung erfolgt sei und über die Mitarbeit mehr als 5 Treffberichte des Führungsoffiziers sowie 4 Berichte des Klägers vorlägen.
Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt und entschieden, daß das Arbeitsverhältnis jedoch durch die ordentliche Kündigung vom 28.02.1995 zum 30.09.1995 aufgelöst wurde.
Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 128–133 d.A.) verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 14.08.1995 zu...