Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristungsdauer in der Postdoc-Phase nach dem WissZeitVG. Beschäftigung zur Förderung der Qualifizierung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG. Anforderungen an das Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Einschränkungen das allgemeinen Beschäftigungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist der Kläger promovierter Sozialwissenschaftler, unterliegt er nach erfolgter Promotion grundsätzlich § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG (Postdoc-Phase). In der Postdoc-Phase ist eine Befristung bis zu 6 Jahren zulässig.
2. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 WissZeitVG enthält sich näherer Vorgaben und Anforderungen an die formulierte Bedingung, hebt aber buchstäblich in einem eher weiten Sinn auf eine „Qualifizierung“ ab. Die Bindung der Befristung an die Eigenqualifizierung enthält weder ein formales Qualifikationsziel noch die Feststellung eines gegenüber der wissenschaftlichen oder künstlerischen Dienstleistung „gesondert zu quantifizierenden“ Kompetenzzuwachses.
3. Die Einhaltung des Zitiergebots erfordert nicht die Angabe der einzelnen Befristungsnormen. Es reicht aus, wenn es im Arbeitsvertrag heißt, dass „die Beschäftigung in der Qualifizierungsphase der eigenen Aus-, Fort- oder Weiterbildung dient (Wissenschaftszeitvertragsgesetz)“.
4. Der allgemeine Beschäftigungsanspruch ist aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten. Er muss allerdings dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu fördern.
Normenkette
WissZeitVG § 2 Abs. 4; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; WissZeitVG § 2 Abs. 1 S. 2; HRG § 57b Abs. 3 S. 1; TzBfG § 14 Abs. 2; BGB §§ 242, 611, 613
Verfahrensgang
ArbG Dresden (Entscheidung vom 09.11.2021; Aktenzeichen 9 Ca 417/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 09.11.2021 – 9 Ca 417/21 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich weiterhin über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nach den Wissenschaftszeitvertragsgesetz.
Der Beklagte beabsichtigte an der Technischen Universität … ein Projekt durchzuführen. Das Projekt heißt „Krisen- Dialog- Zukunft“. Die Gesamtkosten sind mit 1,19 Millionen €,,die Laufzeit ist vom 01.03.2018 bis 28.02.2021 (36 Monate) geplant. Antragsteller ist die Technische Universität …. Projektleiter ist …. Projektbetreuerin ist Frau …. Auf die Vorhabenbeschreibung im Rahmen des Förderbereichs „Zusammenhalt stärken in Zeiten von Krisen und Umbrüchen“ (Anl. A4; Bl. 20 - 30 d.A. wird Bezug genommen. Ziel des Vorhabens ist es,
“ aus der Beobachtung der bei konkreten Streitprozessen – nämlich zu aktuellen Themen gegenwärtiger Zuwanderung – und Integrationspolitik – angewendeten Methoden Wissen darüber zu generieren, welche Streitstrategien und diskursiven Moderationsinstrument sich – idealerweise – themeninvariant Bewerberin, also immer wieder mit einigen Erfolgsaussichten eingesetzt werden können (Anl. 4, S. 3; Bl. 21 d.A.). Dieses Ziel lässt sich nicht allein durch Literaturauswertung und Theoriebildung erreichen. Es braucht auch die sozialwissenschaftlich kompetente Begleitung konkreter Konfliktprozesse. Damit ist das ganze Forschungsvorhaben empirisch angelegt, liegt auf den konkreten Umgang mit unmittelbarer gewichtigen politischen Streitfragen und arbeitet aufs Engste mit zivilgesellschaftlichen sowie kommunalpolitischen Praktikern zusammen.“
Die Durchführung des Projekts beinhaltet wissenschaftliche Arbeitsziele. Deren Erreichung erfolgt durch wissenschaftliche Umsetzung und Methode (Anlage A4 Ziff. 1.2 und Ziff. 1.3). Dort heißt es:
„Wie soziale Konflikte auf der Ebene einer direkten Auseinandersetzung von Streitpartnern verlaufen und welcher diskursiven Praktiken sich die Konfliktparteien dabei mit welchem Ziel bedienen, wird mithilfe ethnomethodologischer und diskursanalytischer Konzepte analysiert. Mittel der Beantwortung unserer Fragestellung sollen weiterhin die je nach empirischen Referenten angemessenen Methoden der Inhaltsanalyse und der gegenstandsbegründeten Theoriebildung (“Grounded Theory“) sein. Dieses induktive Verfahren stellt sicher, dass die gewonnenen Einsichten über die Einzelfälle hinausgehende allgemeine Erklärungen zum Verlauf von Dialogprozessen liefern (Anl. A4, Ziff. 1.3, S. 5; Bl. 22 d.A.). Datenerhebung und Datenanalyse erfolgen nach den bewährten Regeln sozialwissenschaftlicher Methodenlehre“.
Aus der Vorhabenbeschreibung, Ziff. 6, ergibt sich auf den S. 33, 34 die Notwendigkeit von Zuwendungen an die technische Universität …. Dort heißt es, dass eine Finanzierung der Forschung aus Haushaltsmitteln oder alternativen Mittelquellen nicht möglich ist. Daher wird um Unterstützung der Forschungstätigkeit gebeten.
Der Beklagte schrieb an der te...