Entscheidungsstichwort (Thema)
Ortszuschlag. Eingetragene Lebenspartnerschaft. Diskriminierung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 29 Abschn. B Abs 3 BAT-O ist dahin gehend zu verstehen, dass auch leibliche Kinder des eingetragenen Lebenspartners, die im Haushalt des Arbeitnehmers leben, beim Ortszuschlag zu berücksichtigen sind.
2. Werden eingetragenen Lebenspartnern tarifliche Vergütungsbestandteile nicht gewährt, die Ehepartnern gewährt werden, liegt darin eine Benachteiligung i.S.v. Art. 2 der EGRL 78/2000 wegen der sexuellen Ausrichtung.
Normenkette
BAT-O § 29 Abschn. B Abs. 3; EGRL 78/2000 Art. 2; LPartG § 1 Abs. 1, § 2; BGB §§ 133, 157; AGG §§ 1, 7 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Leipzig (Urteil vom 01.02.2007; Aktenzeichen 7 Ca 4104/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 01.02.2007 – 7 Ca 4104/06 – wird auf Kosten des Beklagten
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Ortszuschlages nach § 29 Abschnitt B Abs. 3 BAT-O.
Die im Jahre 1948 geborene Klägerin ist seit 01.08.71 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Lehrerin beschäftigt, ab 01. 01.96 in der Vergütungsgruppe II a BAT-O. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung, Anwendung.
Die Klägerin lebt mit Frau … in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft. Die Lebenspartnerschaft wurde mit Wirkung zum 03.06.2005 nach den Bestimmungen des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG) seitens des Regierungspräsidiums … eingetragen. Die Klägerin führt mit Frau … einen gemeinsamen Haushalt, in dem auch die leiblichen Kinder der Frau … sowie … (geb. jeweils …), für welche Frau … kindergeldberechtigt ist, leben.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 30.08.2005 beim Landesamt für Finanzen, Außenstelle … Ortszuschlag der Stufe 3 in Höhe von 705,54 EUR zuzüglich 83,77 EUR (für zwei Kinder) rückwirkend ab Juni 2005 geltend gemacht. Mit Schreiben vom 20.09.2005 sowie 14.10.2005 hat der Beklagte die Forderung der Klägerin abgelehnt.
Mit der bei Gericht am 01.09.2006 eingegangenen Klage macht die Klägerin Ortszuschlag nach § 29 Abschnitt B Abs. 3 BAT-O für die in ihrem Haushalt aufgenommenen Kinder … und … ab 03.06.2005 zuzüglich Zinsen geltend.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Sie erfülle die Voraussetzungen der Stufe 3 des Ortszuschlages nach § 29 BAT-O. § 29 Abschnitt B Abs. 3 BAT-O 3 enthalte wie Abs. 2 eine unbewusste Regelungslücke, die durch ergänzende Auslegung des Tarifvertrages zu schließen sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der eigenständigen Normierung der Stufen des Ortszuschlages ab dem 17.05.82 keine Regelung im Hinblick auf eingetragene Lebenspartnerschaften treffen konnten, da diese Rechtsfigur erstmals mit dem am 01.08.2001 in Kraft getretenen Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft geschaffen worden sei.
Zwar erhalte die Klägerin kein Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz, allerdings habe sie die Kinder ihrer Lebenspartnerin in ihren Haushalt im Sinne § 63 EStG aufgenommen. Die Klägerin decke mit ihrem Einkommen einen erheblichen Teil des Unterhalts der Gemeinschaft, was der in § 2 LPartG normierten Verpflichtung zur Fürsorgeunterstützung und gemeinsamen Lebensgestaltung der Lebenspartner untereinander entspreche. Die Klägerin hätte jedenfalls Anspruch auf Zahlung von Kindergeld ohne Berücksichtigung der §§ 64, 65 EStG und damit auf den Ortszuschlag, wäre sie ein Mann und mit der Kindesmutter verheiratet.
Die Klägerin hat beantragt,
- es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin den Ortszuschlag nach § 29 b III BAT-O für die in ihrem Haushalt aufgenommenen Kinder … und … ab dem 03.06.2005 zu zahlen;
- es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die monatlichen Bruttodifferenzbeträge beginnend ab dem 03.06.2005 ab dem 15. des jeweiligen Monats zu 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen:
§ 29 BAT-O sei nicht auslegungsfähig, da der Wortlaut der Norm eindeutig sei. Die Regelung bestimme klar, dass nur diejenigen Angestellten zur Stufe 3 gehörten, denen Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz zustehe bzw. zustehen würde. Dies sei bei der Klägerin unstreitig nicht der Fall, denn die Lebenspartnerin der Klägerin sei gerade nicht, wie ausdrücklich verlangt, Ehegatte der Klägerin. Der Gesetzgeber habe sich bewusst entschieden, eingetragene Lebenspartnerschaften nicht voll der Ehe gleichzustellen. Eine Tarifvertragsnorm, die daran anknüpfe, könne nicht rechtswidrig sein.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 54-58 d. A.) Bezug genommen.
Gegen das am 27.02.2007 zugestellte End...