Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Zulässigkeit der Nutzung von Ermittlungsergebnissen des Hauptzollamtes. Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit bei auf dem Bau tätigen "Subunternehmern"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Rentenversicherungsträger ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Prüfung eine eigene Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV beim Arbeitgeber durchzuführen, sondern kann sich allein auf die im Rahmen der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung gewonnenen Ermittlungsergebnisse der Zollverwaltung beschränken (wie hier: LSG Stuttgart vom 29.6.2017 - L 10 R 592/17 = juris RdNr 19; Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 28p SGB IV, Rn 181).

2. Bei der Gewerbeanmeldung handelt es sich nur im ein formales Merkmal, der eine wesentliche Indizwirkung für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit nicht zukommt.

3. Bei einer vom Auftraggeber betriebenen systematischen, koordinierten Eingliederung auf dem Bau Tätiger in seinen Betrieb ist von dem Bestehen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse auszugehen.

 

Orientierungssatz

1. Zur Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit (hier: bei auf dem Bau tätigen "Subunternehmern").

2. Zum Leitsatz 2 vgl LSG Stuttgart vom 24.2.2015 - L 11 R 5195/13 = juris RdNr 36, LSG Celle-Bremen vom 1.11.2017 - L 2 R 227/17 = juris RdNr 50 und LSG Chemnitz vom 22.4.2016 - L 1 KR 228/11 = juris RdNr 41.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 3. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 11.358,98 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen einen Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese ihn auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie darauf entfallender Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 45.435,92 € in Anspruch nimmt.

Der Antragsteller betreibt ein einzelkaufmännisches Bauunternehmen (die W...-Bau) mit Gewerbesitz in der Z... Straße, A... Gegenstand des Unternehmens ist laut Gewerbeanmeldung bei der Stadt A... vom 25.09.2006 "Hausmeisterservice, Abbrucharbeiten, Tiefbau, Trockenbau, Spachtelarbeiten, Tapezieren und Streichen von Tapeten".

Das Hauptzollamt A..., Sachgebiet Finanzkontrolle/Schwarzarbeit, leitete im Jahr 2009 ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt ein. Mit Schreiben unter dem 05.01.2010 bat das Hauptzollamt A... die Antragsgegnerin um Berechnung der Höhe des entstandenen Schadens und Darstellung der Höhe der nicht abgeführten Gesamtsozialversicherungsbeiträge je Arbeitnehmer und um Beurteilung, ob es sich bei den ausländischen Mitarbeitern um abhängig Beschäftigte gehandelt habe.

Die Staatsanwaltschaft A... stellte das unter dem Az. ... geführte Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller nach § 153a Abs. 1 StPO nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 2.500,00 € an die Staatskasse mit Verfügung vom 10.01.2014 endgültig ein. In einem Vermerk heißt es, die Schuld des Antragstellers sei als gering anzusehen und ein öffentliches Interesse an der Verfolgung bestünde nicht, da zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller eine Vereinbarung dahingehend getroffen worden sei, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der nun vorliegenden Schadensberechnung Beitragsbescheide erlassen werde, auf welche hin der Antragsteller die ausstehenden bisher sozialversicherungsrechtlich streitigen Beiträge in vollem Umfang nachentrichten werde.

Im Rahmen einer Durchsuchung der Geschäftsräume des Antragstellers in der Z... Straße in A... als auch dessen Wohnung stellte das Hauptzollamt diverse Geschäftsunterlagen sowohl des Klägers sowie auch private Unterlagen der polnischen und moldawischen Arbeitskräfte sowie den Computer des Antragstellers sicher. Darunter befanden sich Aufzeichnungen bzw. Daten folgender 21 Arbeitskräfte: O...; L...; T..; D...; G...; R...; C...; E... ; F...; H..; I..; J..; K...; N..; P..; Q...; S...; T...; U...; V...; X...; Y...

Unter den sichergestellten Asservaten wurden auszugsweise folgende Beweismittel gefunden:

Bezüglich des 1986 geborenen polnischen Staatsangehörigen O...:

- Gewerbeanmeldung vom 22.09.2008 für die Bereiche Bauhilfsleistungen, Abbrucharbeiten, Baustellenreinigung und Hausmeisterservice und Gewerbeabmeldung am 20.11.2009; Wohnanschrift G.-K.-Straße, A..., wurde auch als Betriebsanschrift angegeben.

- Mietvertrag zwischen W...-Bau/Antragsteller (Hauptmieter) und O... (Untermieter) über ein möbliertes Zimmer in der Pension Z..., G.-K.-Straße, A... für 100 €/Monat ab 03.12.2008.

- Auftrag vom 22.09.2008 für Bauvorhaben O.-H.-Gymnasium DL...; ST... Bauwerk MM..., Schadstoffsanierung mit folgendem Inhalt:

“Position 01: Herstellen von Schutzmaßnahmen an Bauelementen, Position 02: Demontage und Montage von bestehenden Bauelementen,...

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