Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen B. Begleitperson. Versorgungsmedizinische Grundsätze -Diabetes mellitus bei Kindern. kindliches Unvermögen zur selbständigen Einstellung der Stoffwechsellage. Abstellen auf einen Erwachsenen mit entsprechenden Einschränkungen. kein Widerspruch zur generalisierenden Zuerkennung des Merkzeichens H. Hilflosigkeit
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen B (Begleitperson) liegen bei einem behinderten Kind nicht vor, wenn auch ein Erwachsener mit entsprechenden Einschränkungen keinen Anspruch auf das Merkzeichen hätte (vgl Teil D Nr 2 Buchst a der Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der Anlage zu § 2 VersMedV).
2. Ist ein an Diabetes mellitus erkranktes Kind nicht zuverlässig in der Lage, den Stoffwechsel im Rahmen der Insulintherapie alleine zu führen, kann das Merkzeichens B daher nicht zuerkannt werden, wenn ein Erwachsener mit einer entsprechenden Erkrankung gleichwohl in der Lage wäre, die vorhandenen Stoffwechselschwankungen zu erkennen und Maßnahmen zur Stabilisierung zu ergreifen.
3. In der Zuerkennung des Merkzeichens H (Hilflosigkeit) bis zum Alter von 16 Jahren nach Teil A Nr 5 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze liegt insoweit kein Widerspruch: die Versorgungsmedizinischen Grundsätze gehen hierbei von einer generalisierenden Betrachtungsweise aus, hinsichtlich weiterer Merkzeichen (wie hier des streitigen Merkzeichens B) kommt es aber auf einen konkreten, regelmäßigen Hilfebedarf bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel an.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 25. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 2008 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen B.
Die Klägerin leidet an einem seit 13.03.2012 festgestellten instabilen, insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I. Sie ist mit einer Pumpentherapie und kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) versorgt.
Mit Datum vom 20. März 2012, eingegangen beim Beklagten am 3. April 2012, beantragte die Klägerin die Feststellung einer Behinderung und des Grades der Behinderung sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H. Nach Einholung ärztlicher Unterlagen und einer Stellungnahme durch den Ärztlichen Dienst entschied der Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2012, es werde bei der Klägerin eine Behinderung festgestellt, der aktuelle GdB betrage 40, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens H lägen vor. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 30.07.2012 bezüglich der Höhe des GdB und der Nichtgewährung des Merkzeichens B holte die Beklagte die Blutzuckertagebücher der Klägerin sowie eine erneute Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes ein und erließ am 02.10.2012 einen Teilabhilfebescheid, wonach bei der Klägerin ab 03.04.2012 ein GdB von 50 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H festgestellt wurden.
Der weitergehende Widerspruch (Merkzeichen B) wurde mit Widerspruchsbescheid des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen vom 11.10.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, Anspruch auf die kostenlose Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Personenverkehr hätten schwerbehinderte Menschen, bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen G, GL oder H vorliegen, wenn sie bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe (z. B. beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt) angewiesen seien. Diese Voraussetzungen lägen nach Art und Ausmaß der Beeinträchtigungen der Klägerin gemäß versorgungsärztlicher Beurteilung nicht vor. Die Klägerin benötige als Vorschulkind genauso wie jedes andere Kind im gleichen Alter bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine Begleitperson. Insofern stehe das Merkzeichen B derzeit nicht zu.
Auf die am 12. November 2012 erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Aus dem Bericht des Universitätsklinikums X., Dr. E., vom 18.07.2013 geht hervor, dass bei der Klägerin ein extrem instabiler Stoffwechsel vorliege, welcher sieben bis zehn Blutzuckermessungen pro Tag erforderlich mache, um das Kind nicht akut zu gefährden. Innerhalb weniger Minuten könne das Kind in eine hypoglykämische Stoffwechsellage geraten und sei damit besonders gefährdet. Aufgrund dessen sei auch eine persönliche Assistenz während des Besuchs des Kindergartens erforderlich. Die Kinderärztin Dr. D. führt in ihrem Befundbericht vom 26.06.2013 aus, bei der Klägerin liege eine unbefriedigende Blutzuckervariabilität vor.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten erstellen lassen von Prof. Dr. W., Facharzt für Kinderheilkunde, vom 16.09.2014. Nach seinen Feststellungen leidet die Klägerin an Diabetes me...