Revision eingelegt (BFH III R 26/24)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags in den Jahren 2023 und 2024. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: III R 26/24)
Leitsatz (amtlich)
§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des InflAusG (Grundfreibetrag) ist sowohl für den Veranlagungszeitraum 2023 als auch für den Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO und eine Vorlage zum BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 des GG waren im Streitfall nicht geboten, da das Gericht - trotz bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken - nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des § 32a Abs. 1 S. 2 EStG i.d.F. des InflAusG überzeugt ist.
Normenkette
EStG § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Anfechtung festgesetzter ESt-Vorauszahlungen über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags gem. § 32a Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- in den Jahren 2023 und 2024.
Die Kläger werden beim Beklagten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Beide erzielen verschiedene Einkünfte, der Kläger u.a. Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit.
Nach Abgabe der Steuererklärung für das Veranlagungsjahr 2021 setzte das Finanzamt durch Bescheid vom 30.1.2023 die Einkommensteuer 2021 auf x EUR und den Solidaritätszuschlag auf x EUR fest. Zudem setzte es Einkommensteuer-Vorauszahlungen ab dem Jahr 2023 fest. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung das Steuerentlastungsgesetz sowie weitere gesetzliche Änderungen, soweit möglich, berücksichtigt wurden. Aus der Berechnung der Vorauszahlungen ergibt sich diesbezüglich, dass der Beklagte für die Vorauszahlungen den Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz - lnflAusG, BGBl. I 2022, 2230 ff.) vom 8.12.2022 zugrunde gelegt hat. Da der Grundfreibetrag mit dem InflAusG nicht nur für 2023, sondern auch schon - mit einem höheren Betrag - für 2024 festgelegt wurde, sind die Vorauszahlungen für 2024 trotz der (unstreitigen) Annahme gleichbleibender Einkünfte geringfügig niedriger als für das Jahr 2023.
Mit Schreiben vom 10.1.2023 beantragten die Kläger, die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 2023 neu festzusetzen. Zwar sei der Gewinn zutreffend zugrunde gelegt; es werde jedoch lediglich ein Grundfreibetrag von 21.816 EUR (ledige: 10.908 EUR) berücksichtigt. Nach einem Artikel in der Berliner Morgenpost, belaufe sich das Bürgergeld für den Haushaltsvorstand zukünftig auf 502 EUR zuzüglich Miete von 500 EUR bis ca. 690 EUR. Folglich erhalte ein Bürgergeldempfänger staatliche Leistungen von 1.002 EUR bis 1.190 EUR pro Monat. Dieser Betrag sei höher als der steuerliche Grundfreibetrag, was einen Verstoß gegen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz darstelle, wonach das steuerliche Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen von der Einkommensteuer freizustellen sei.
Mit Schreiben vom 6.2.2023 wurde zudem Einspruch gegen die Festsetzung der Vorauszahlungen eingelegt.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24.2.2024 als unbegründet zurück. Die Ermittlung der festgesetzten Vorauszahlungen entspreche der geltenden gesetzlichen Regelung und sei somit rechtmäßig. Es sei daher zurecht der Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG berücksichtigt worden. Die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift sei nicht aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken aufgehoben worden und somit bindend.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 6.3.2024 bei Gericht eingegangenen Klage. Mit dem "Zwölften Gesetz zur Änderung des Zweites Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeldgesetz)" vom 16.12.2022, mit dem insbesondere das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geändert und die sogenannten Hartz IV-Regelungen abgelöst worden seien, sei mit Wirkung zum 1.1.2023 ein neues Sozialhilferecht - genannt "Bürgergeld" - eingeführt worden. Mit diesem Gesetz sei das sozialhilferechtliche Existenzminimum der Höhe nach neu definiert worden. Im Ergebnis sei dabei das sozialhilferechtliche Existenzminimum deutlich - über dem Inflationsausgleich - erhöht und die mit dem Bürgergeld auszuzahlenden Beträge für angemessenes Wohnen in den ersten zwei Jahren einer Angemessenheitskontrolle durch die Behörden entzogen worden.
Mit Beschluss vom 10.11.2022 habe der Bundestag des Weiteren ein Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz - InflaAusG) beschlossen. Mit diesem sei der Grundfreibetrag 2023 von 10.347,00 Euro auf 10.908,00 Euro erhöht worden. Jedoch sei mit dieser Erhöhung mitnichten das Existenzminimum steuerfrei gestellt worden, da die Inflation des Jahres 2022 von 7,9 % (Verweis auf den Bericht des Handelsblattes vom 15.2.2023) und die zu erwartende er...