Revision eingelegt (BFH II R 33/21)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit bei Datenlöschung nach § 32i AO - Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens Voraussetzungen für ein Datenzugriffrecht auf personenbezogene Daten - Vorlageverlangen gemäß § 97 AO über § 29b Abs. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Finanzgericht ist das für eine Klage auf Datenlöschung nach Maßgabe des § 32i AO zuständige Gericht. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht (§ 32i Abs. 9 AO).
2. Datenschutzrechtlich kann ein Vorlageverlangen gemäß § 97 AO über § 29b Abs. 1 - und soweit besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 DSGVO betroffen sind - über Abs. 2 AO gerechtfertigt sein, wenn die mit dem Vorlageverlangen in Verbindung stehende Datenverarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen (dem FA) übertragen wurde, oder sie aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses (Art. 9 Abs. 2 Buchst. g DSGVO) erforderlich ist und ein überwiegendes Interesse des Verantwortlichen an der Datenverarbeitung vorliegt, welches das Interesse der betroffenen Person überwiegt.
3. Die von der Finanzbehörde unter www.finanzamt.de hinterlegten Datenschutzhinweise informieren nach Art. 12 ff DSGVO ausreichend präzise, transparent, verständlich, leicht zugänglich sowie klar und einfach, soweit diese Informationen für den Kläger abrufbar und zugänglich sind und damit eine hinreichende Kenntnisnahmemöglichkeit gegeben ist.
4. Die notwendigen Informationen werden von der Finanzbehörde jedenfalls dann rechtzeitig zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger bereits in der Prüfungsanordnung als auch in der Durchschrift des an den Dritten gerichteten Vorlageverlangens über die Möglichkeit des Abrufs der Datenschutzhinweise informiert worden ist.
Normenkette
AO § 29b Abs. 1-2, §§ 32i, 93, 97; DS-GVO Art. 4, 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. e, Abs. 3, Art. 9 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 34 Abs. 3; AEUV Art. 267 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Ablehnung des Widerspruchs, den der Kläger nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO erhoben hat, rechtmäßig ist und ob der Kläger einen Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO hat.
Im Rahmen einer beim Kläger stattfindenden Außenprüfung wurde der Kläger aufgefordert, Kontoauszüge für den Zeitraum Januar 2017 bis Dezember 2019 für das Konto DEXX XXXX XXXX XXXX XXXX XX vorzulegen. Die Durchführung der Außenprüfung wurde mit Prüfungsanordnung vom 16. Dezember 2020 verfügt. Hierzu ist vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht ein Verfahren unter dem Az. 3 K 52/21 anhängig. Die Prüfungsanordnung einhält folgenden Datenschutzhinweis:
"Informationen über die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Steuerverwaltung und über Ihre Rechte nach der Datenschutz-Grundverordnung sowie über Ihre Ansprechpartner in Datenschutzfragen entnehmen Sie bitte dem allgemeinen Informationsschreiben der Finanzverwaltung. Dieses Informationsschreiben finden Sie unter www.finanzamt.de (unter der Rubrik "Datenschutz") oder Sie erhalten es bei Ihrem Finanzamt."
Der Inhalt des Informationsschreibens lautet auszugsweise:
3. Zu welchem Zweck verarbeiten wir Ihre personenbezogenen Daten?
Um unsere Aufgabe zu erfüllen, die Steuern nach den Vorschriften der Abgabenordnung und der Steuergesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, benötigen wir personenbezogene Daten (§ 85 der Abgabenordnung).
Ihre personenbezogenen Daten werden in dem steuerlichen Verfahren verarbeitet, für das sie erhoben wurden (§ 29b der Abgabenordnung). Nur in den gesetzlich ausdrücklich zugelassenen Fällen dürfen wir die zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens erhobenen personenbezogenen Daten auch für andere steuerliche oder nichtsteuerliche Zwecke verarbeiten (Weiterverarbeitung nach § 29c Absatz 1 der Abgabenordnung).
(…)
4. Welche personenbezogenen Daten verarbeiten wir?
(…)
Können wir einen steuerrelevanten Sachverhalt nicht mit Ihrer Hilfe aufklären, dürfen wir Sie betreffende personenbezogene Daten auch durch Nachfragen bei Dritten erheben (z. B. Auskunftsersuchen an den Arbeitgeber). Im Vollstreckungsverfahren können wir Daten bei Drittschuldnern (z. B. Kreditinstitut oder Arbeitgeber) erheben.
Nachdem der Kläger diesem Ersuchen nicht nachgekommen ist, wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 15. Februar 2021 an die A-Bank und ersuchte dort gemäß § 97 Abgabenordnung (AO) um Vorlage der vorbezeichneten Kontoauszüge. Der Beklagte teilte insoweit mit, dass die Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO für das Ermittlungsersuchen erfüllt seien, da die Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt habe.
Der Kläger wurde mit Schreiben gleichen Datums von dem Vorlageersuchen unterrichtet und erhielt von dem an die A-Bank gerichteten Vorlageersuchen einen Abdruck.
Mit Schreiben vom 22....