Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH bei Abschluss eines Treuhandvertrags mit dem Mehrheitsgesellschafter
Orientierungssatz
Hat sich ein Mehrheitsgesellschafter in einem rechtswirksam geschlossenen Treuhandvertrag verpflichtet, im Hinblick auf die von ihm treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile allen Weisungen des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers Folge zu leisten, und zwar insbesondere hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts, so ist hierdurch dem GmbH-Geschäftsführer die Rechtstellung eines wirtschaftlichen Eigentümers aller Geschäftsanteile eingeräumt. In einem solchen Fall ist er nicht abhängig beschäftigt iS von § 7 Abs 1 SGB 4, sondern als selbständig Tätiger zu beurteilen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 26. April 2018 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 21.062,68 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Sanitär- und Heizungsunternehmen. Alleiniger Geschäftsführer der Antragstellerin ist J E. Nach Abschluss seiner Meisterprüfung 1987 betrieb er sein Unternehmen zunächst als Einzelkaufmann. Mit seiner Ehefrau schloss er schriftlich einen undatierten unterschriebenen Treuhandvertrag mit nachfolgenden Vereinbarungen:
"Der Treugeber wird heute vor dem Notar A M in P die Sanitär E GmbH (im Folgenden "Gesellschaft___AMPX_‚_SEMIKOLONX___X) mit einem Stammkapital in Höhe von DM 50.000,00 gründen und die Stammeinlage in Höhe von DM 50.000,00 übernehmen.
Der Treugeber wird ggf. künftig einen Teil der Stammeinlage an der Gesellschaft auf die Treuhänderin übertragen. Bereits jetzt sind sich die Vertragsschließenden darüber einig, dass die Treuhänderin in diesem Fall den ggf. übertragenen Geschäftsanteil als Treuhänderin für den Treugeber halten soll.
Dies vorausgeschickt wird Folgendes vereinbart:
1. Der Treugeber wird heute vor dem Notar A M in P die Gesellschaft mit einem Stammkapital in Höhe von DM 50.000,00 gründen und die Stammeinlage in Höhe von DM 50.000,00 übernehmen.
2. Die Treuhänderin einerseits sowie der Treugeber andererseits vereinbaren hiermit bereits jetzt, dass die Treuhänderin einen künftig vom Treugeber auf sie übertragenen Geschäftsanteil nur als Treuhänderin für den Treugeber halten soll.
3. Die Treuhänderin verpflichtet sich, im Hinblick auf die von ihr künftig treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteile allen Weisungen des Treugebers Folge zu leisten. Die Treuhänderin verpflichtet sich insbesondere auch hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts den Weisungen des Treugebers Folge zu leisten. Erhält die Treuhänderin keine Weisung des Treugebers, so ist sie berechtigt, das Stimmrecht nach pflichtgemäßem Ermessen im Interesse des Treugebers auszuüben.
4. Die Treuhänderin verpflichtet sich, alles was ihr aus dem künftigen Treuhandverhältnis an Gewinn, Dividenden, neuen Geschäftsanteilen aus Anlass einer eventuellen Kapitalerhöhung usw. zufällt, an den Treugeber abzutreten.
5. Die Treuhänderin ist auf Verlangen des jeweiligen Treugebers jederzeit verpflichtet, den von ihr künftig treuhänderisch gehaltenen Anteil entsprechend auf den Treugeber zu übertragen. Der Treugeber kann jederzeit auch einen anderen Treuhänder bestimmen, auf den der treuhänderisch gehaltene Anteil zu übertragen ist.
6. Die Treuhänderin bevollmächtigt hiermit den Treugeber unwiderruflich, alle erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen zur Übertragung des künftig treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteils auf den Treugeber abzugeben und Rechtshandlungen vorzunehmen, und zwar unter Befreiung von den Vorschriften des § 181 BGB. Der Treugeber ist insbesondere bevollmächtigt, den künftig treuhänderisch gehaltenen Geschäftsanteil auf sich zu übertragen. Die Vollmacht erlischt nicht durch den Tod der Treuhänderin.
7. Der Treugeber ist berechtigt, den treuhänderisch gehaltenen Anteil ganz oder teilweise auf einen anderen Treugeber zu übertragen.
8. Der Treugeber ist verpflichtet, die Treuhänderin von allen Verbindlichkeiten und Kosten freizuhalten, die der Treuhänderin im Zusammenhang mit der Beteiligung des Treugebers an der Gesellschaft und deren Verwaltung entstehen.
9. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform."
Die in dem Treuhandvertrag angesprochene Gesellschaft, die Antragstellerin, gründete der Geschäftsführer der Antragstellerin am 10. Februar 1990. Nach der Erbschaft des Betriebsgrundstückes, welches ihm bereits zur Nutzung des Betriebes überlassen worden war, teilte der Geschäftsführer der Antragstellerin die Stammeinlage von 50.000,00 DM in zwei...