Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. fiktive Beitragszeit. Volontär. Hachscharah-Zeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bezeichnung als Volontär sprach unter Geltung des § 1226 RVO idF vom 15.12.1924 für eine Ausbildung ohne Entgelt, mit der Folge, dass zwar regelmäßig Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht jedoch in der Rentenversicherung bestand.

2. Die Berücksichtigung einer Hachscharah als fiktive Beitragszeit setzt ua voraus, dass der Verfolgte vor dem 1.1.1950 nach Palästina oder in den Staat Israel ausgewandert ist und dass er sich als israelischer Staatsangehöriger am 1.1.1982 nicht nur vorübergehend im Gebiet des Staates Israel aufgehalten hat.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 4. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) darüber, ob dem Kläger Altersrente zu gewähren ist.

Der 1921 in Deutschland geborene Kläger wanderte Anfang des Jahres 1938 in die Vereinigten Staaten von Amerika aus. Seit 1943 ist er nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika. Seit dem 19. September 1988 ist er außerdem israelischer Staatsangehöriger.

Am 11. August 1989 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt der Freien und Hansestadt Hamburg (LVA Hamburg) die Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei gab er an, im Jahr 1935 in der “Bahnhofsgarage N...„ und vom 5. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker-Volontär eine Berufsausbildung in Deutschland absolviert zu haben. Diese habe er aus Verfolgungsgründen abgebrochen. Der LVA Hamburg lag eine Mitgliedsbescheinigung der AOK Mittelfranken vor, aus der hervorgeht, dass der Kläger vom 7. Juni 1937 bis zum 15. Juni 1937 sowie vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar 1938 als Volontär bei J.H... in N... tätig war. Nach dem Inhalt der Mitgliedsbescheinigung war der Kläger vom 9. Juni 1937 bis zum 30. August 1937 arbeitsunfähig. Der Beklagten lag ein Zeugnis des J.H... vor, in dem dem Kläger bescheinigt wird, dass er vom 6. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 “als Mechaniker-Volontär beschäftigt„ gewesen war. Ferner lag der Beklagten eine Lehrgangsbescheinigung vor, nach der der Kläger in der Zeit vom 17. Januar bis zum 4. Februar 1938 in Berlin-Charlottenburg an einem Schweißlehrgang teilgenommen hat. In einem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Versicherungsamts der Stadt F... vom 21. August 1989 wird mitgeteilt, dass in der dort vorliegenden Kartei, die infolge Kriegsereignissen nicht vollständig erhalten sei, Aufzeichnungen über die Ausstellung oder den Umtausch einer Versicherungskarte für den Kläger nicht habe ermittelt werden können. Nachforschungen bei der AOK Mittelfranken in F... seien ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Die AOK in N... habe eine Beitragszeit vom 7. Juni 1937 bis zum 15. Juni 1937 und vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar 1938 als Volontär bei der Firma J.H... bestätigt.

Mit Bescheid vom 22. Februar 1990 lehnte die LVA Hamburg den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, dass eine Beitragsentrichtung zur deutschen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch hinreichend glaubhaft gemacht sei. In der Zeit vom 6. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 sei der Kläger als “Mechaniker-Volontär„ bei J.H... in N... zur Erlernung des Mechanikerhandwerks tätig gewesen. Volontärzeiten seien jedoch grundsätzlich keine Lehrzeiten, sondern Zeiten einer unentgeltlichen Beschäftigung mit dem Ziel einer Ausbildung ohne Begründung eines Lehrverhältnisses. Während der Volontärzeit habe der Kläger nicht der Versicherungspflicht zur deutschen Rentenversicherung unterlegen, so dass Beitragszeiten nicht anrechenbar seien. Da kein anrechenbarer Beitrag in der deutschen Rentenversicherung vorhanden sei, könne auch keine Verfolgungszeit als Ersatzzeit anerkannt werden.

Am 23. Dezember 1993 beantragte der Kläger bei der LVA Hamburg die Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 gemäß § 44 SGB X. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 13. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1998 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass sich an der Sach- und Rechtslage, die zur damaligen Beurteilung geführt habe, nichts geändert habe. Eine dagegen vor dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage (Aktenzeichen S 15 RJ 900/98) nahm der Kläger am 11. April 2002 zurück.

Einen erneuten Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 lehnte die LVA Hamburg mit Bescheid vom 27. Mai 2005 und Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 ab und führte zur Begründung aus, dass eine Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Auch die Anerkennung als Hachscharah-Zeit komme nicht in Betracht. Sei der Au...

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