Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Beschäftigung eines an einer GmbH nicht beteiligten Prokuristen, der nicht Geschäftsführer ist. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Vereinbarungen sind nicht geeignet, die gesellschaftsvertraglichen Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Feststellungskompetenz des Rentenversicherungsträgers. sozialgerichtliches Verfahren. Einbeziehung wiederholender Verwaltungsakte in den Rechtsstreit. Rechtsschutz- bzw Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
1. Ein während des Berufungsverfahrens ergehender Bescheid, mit dem der Rentenversicherungsträger eine wiederholende Feststellung zum Vorliegen von Versicherungspflicht in der Sozialversicherung trifft, wird gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens.
2. Einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gegen einen die Sozialversicherungspflicht feststellenden Bescheid gebricht es regelmäßig nicht dadurch am allgemeinen Rechtsschutz- bzw Feststellungsinteresse, dass der nachfolgend ergangene Beitragsbescheid Bestandskraft erlangt hat.
3. Der Rentenversicherungsträger ist auf Grundlage des § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV befugt, Versicherungspflicht für eine über den konkreten Prüfzeitraum hinausgehende Zeitspanne festzustellen.
4. Außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Vereinbarungen sind nicht geeignet, die gesellschaftsvertraglichen Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, und daher im Rahmen der Abwägungsentscheidung, ob ein Beschäftigungsverhältnis und eine daraus folgende Versicherungspflicht in der Sozialversicherung besteht, unbeachtlich. Denn solche Vereinbarungen laufen dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände zuwider.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
Der Ergänzungsbescheid vom 27. Januar 2020 wird aufgehoben, soweit mit diesem eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom
6. März 2009 bis 9. Juli 2009 aufgrund seiner in diesem Zeitraum für die Klägerin ausgeübten Beschäftigung festgestellt worden ist.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 35.872,71 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Bestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Beigeladenen zu 1. hinsichtlich dessen Tätigkeit als Bauingenieur mit Prokura für die Klägerin seit dem 6. März 2009.
Die Klägerin betreibt ein am 16. Dezember 2003 ins Handelsregister eingetragenes Unternehmen, das primär Leistungen in den Bereichen Straßentiefbau, Kanalbau sowie Kabel- und Kommunikationsanlagenbau erbringt, ferner auch Bauleistungen im Zusammenhang mit steuerbaren Horizontalbohrungen. Zudem betreibt die Klägerin auch einen Handel mit Baugeräten und -stoffen. Das Stammkapital der Klägerin beträgt 25.000,00 EUR. Ursprünglich war die vormalige Lebensgefährtin des Beigeladenen zu 1., Frau A. B...., alleinige Gesellschafterin der Klägerin, die ihre Gesellschafterrechte auf Grundlage eines Treuhandvertrages allerdings für und im Interesse des Beigeladenen zu 1. wahrzunehmen hatte. Der Beigeladene zu 1. war auf Grundlage eines Vertrages vom 26. Dezember 2003 als Geschäftsführer der Klägerin tätig (den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag hatte die Frau B.... für die Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1. geschlossen). In dem Vertrag wurde ein festes monatliches Gehalt für den Beigeladenen zu 1. vereinbart (2.023,00 EUR oder 2.630,00 EUR brutto; vgl. § 3 Abs. 1 des Vertrages), eine monatliche Arbeitszeit von 130 Stunden, die Gewährung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten sowie ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr.
Nachdem die Lebensgemeinschaft zwischen dem Beigeladenen zu 1. und Frau B.... geendet hatte, schlossen die Vorgenannten und der Sohn des Beigeladenen, Herr M.-L. H...., am 5. März 2009 einen Vertrag, nach dem Frau B.... gegen Zahlung einer Entschädigung von 750,00 EUR aus dem Treuhandverhältnis zu dem Beigeladenen zu 1. entlassen und ein Treuhandverhältnis zwischen dem Beigeladenen zu 1. und seinem Sohn gebildet wurde, nach dem „M.-L. H.... für M.-M. H.... die Beteiligung der M. H.... B.... - BA.... GmbH“ erhielt. Am 6. März 2009 wurden sodann sämtliche Geschäftsanteile der Klägerin auf den Sohn des Beigeladenen zu 1. übertragen, der mithin seitdem Alleingesellschafter ist. Mit gleichem Datum wurde das Protokoll einer Gesellschafterversammlung notariell beurkundet, in der M.-L. H.... zum alleinigen Geschäftsführer ernannt und der Beigeladene zu 1. als Geschäftsführer abberufen wurde. Unter dem 14. Mai 2009 schlossen der neue Allein-Gesellschafter und -Geschäftsführer der Klä...