rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tonnenhofarbeiter; Benzol; Wahrscheinlichkeit; Ursachenzusammenhang; Dosis; ppm-Jahre; chronisch lymphatische Leukämie
Leitsatz (amtlich)
Die chronisch lymphatische Leukämie eines Tonnenhofarbeiters ist jedenfalls dann nicht mit Wahrscheinlichkeit durch die Einwirkungen von Benzol bei der beruflichen Tätigkeit (Beschichten von Seezeichen und gewässerkundlichem Gerät) verursacht worden, wenn die Einwirkungen einer Dosis von 2,5 ppm-Jahre erreicht haben.
Normenkette
RVO § 551; BKVO Anlage 1 Nr. 1303
Verfahrensgang
SG Schleswig (Urteil vom 06.08.1999; Aktenzeichen S 2 U 115/98) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 6. August 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO).
Der 1939 geborene Kläger ist gelernter Maurer und war von 1971 bis 1995 beim Wasser- und Schiffahrtsamt (WSA) T … als Tonnenhofsarbeiter tätig. Bei ihm ist eine Chromatallergie mit Handekzem im Bereich beider Hände als Berufskrankheit nach Nr. 5101 BKVO anerkannt und wird nach einer Minderung der Erwerbstätigkeit (MdE) um 20 v. H. durch die Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg entschädigt (Bescheid vom 17. März 1994). Im Februar/März 1996 zeigte der Arzt für Arbeitsmedizin, Leitender Arzt BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH, M … G… der Beklagten eine Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKVO an. Der Versicherte, so der Arzt G … führe die bei ihm 1990 diagnostizierte chronisch lymphatische Leukämie (CLL) auf den Umgang mit Farben und technischen Lösemitteln während seiner Tätigkeit beim WSA T … zurück. Dort sei er mit Tonnenbeschichtungsarbeiten befaßt gewesen. Der Arbeitgeber gab der Beklagten gegenüber im Mai 1995 an, das Unternehmen werde arbeitsmedizinisch von dem Arzt G … betreut. Von 1971 bis 1978 sei der Kläger Meß- und Peilgehilfe in der gewässerkundlichen Abteilung tätig gewesen und von April 1973 an bis heute Meßgehilfe auf dem Tonnenhof. Dort sei er Lösemitteln ausgesetzt gewesen. Weitere Unterlagen zog die Beklagte von der Bau-Berufsgenossenschaft bei. Dort befinden sich ein Bericht der Arbeitgeberin – Arbeitssicherheitsstelle – vom 21. Oktober 1993 an die „AfU BMV”, wonach der Kläger von 1982 an in der Tonnenhalle gearbeitet und hierbei zu ca. 53 % Seetonnen mit Rolle und Pinsel beschichtet habe. Von 1971 bis März 1978 habe der Kläger besonders in den Wintermonaten auch Entrostungs- und Beschichtungsarbeiten an gewässerkundlichem Gerät durchgeführt. Atembaren Farbpartikeln sei er nicht ausgesetzt gewesen. Eine kurzzeitige Lösemittelbelastung sei anzunehmen.
Bis Dezember 1981 sei der Kläger den Stäuben des Strahlgutes beim Zusammenkehren und Reinigen des Strahlgutes (Stahlkies ausgesetzt gewesen, da diese Arbeitsanteile ohne Vollschutz durchgeführt worden seien. Ab 1983 bestehe nur noch eine geringe Lösemittelbelastung während der Beschichtungsarbeiten. Beim WSA T … würden Beschichtungsstoffe der Firma B … und Fasch verwendet, wie z. B. Zinkphosphatgrund, Isoliergrund (Chlorkautschuk), Vorstreichfarbe Zinkgelb, Decklack Verkehrsgelb, Tagesleuchtfarbengrund Weiß sowie Tagesleuchtfarben Rot und Grün.
Im Juli 1996 nahm die Beklagte eine Befragung des Klägers und weiterer Mitarbeiter über die Tätigkeit beim WSA T … vor und fertigte hierüber einen Vermerk an. Darin kam sie zu dem Ergebnis, der Kläger sei zunächst in den Sommermonaten mit Peil- und Vermessungsarbeiten im Freien beschäftigt gewesen. Daher sei ein Kontakt mit benzol- oder aromatenhaltigen Lacken unwahrscheinlich. In den Wintermonaten sei er mit Konservierungsarbeiten beschäftigt gewesen. Er habe dabei ca. vier Monate im Jahr sechs Stunden täglich Peilrohre konserviert. Die verwendete Farbe habe er als „Black Varnish” bezeichnet. Nachforschungen bei der See-BG hätten ergeben, daß es sich hierbei um eine ganze Produktgruppe von Korrosionsschutzanstrichen gehandelt habe, die damals in der Seefahrt eingesetzt worden seien. Über die Inhaltsstoffe habe man keine Angaben erhalten können. Es habe sich dabei wahrscheinlich um Teer- oder Bitumenprodukte mit aromatischen Kohlenwasserstoffen gehandelt. Die Arbeiten seien in einer kleinen etwa 10 × 10 × 3 m hohen Halle ohne besondere technische Lüftungsmaßnahmen ausgeführt worden. Die Anstriche seien mit dem Pinsel aufgetragen worden. Wegen der kalten Witterung seien Fenster und Türen wahrscheinlich geschlossen gewesen. Persönliche Schutzausrüstung sei damals nicht eingesetzt worden. Seit 1976 sei der Kläger ganzjährig und im Mittel sechs Stunden täglich als Werkhelfer in der Tonnenhalle eingesetzt. Hier sei er mit Grundieren und Lackieren von schwimmenden Seezeichen beschäftigt gewesen. Bis 1986 habe der Kläger darüber hinaus ca. eine Stunde täglich Entrostungsarbeiten an den Seezeichen ausgeführt. Die ...