Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 1303. haftungsbegründende Kausalität. Dosis-Wirkungs-Beziehung. Benzolexposition. Einzelfallbetrachtung. Intensität der Schadstoffeinwirkung. kumulierte Belastungsintensität. Non-Hodgkin-Lymphom vom Typ B. Kraftfahrzeugmechaniker. Tankwart. Ausbildung als Flugzeugmechaniker in jungen Jahren

 

Leitsatz (amtlich)

Nach derzeitigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand handelt es sich bei Non-Hodgkin-Lymphomen um Erkrankungen, die durch Benzoleinwirkungen verursacht werden können.

 

Orientierungssatz

Zur Anerkennung eines Non-Hodgkin-Lymphoms vom Typ B als Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 1303 bei einer kumulierten Benzol-Belastungsintensität von mindestens 7,3 Jahren und einer Expositionsdauer von mehr als 35 Jahren sowie einer hohen Benzolexposition in jungen Jahren während der Ausbildung zum Flugzeugmechaniker.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Juni 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 3. Feb-ruar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung des Non-Hodgkin-Lymphoms des Versicherten als Berufskrankheit der Nr. 1303 der Anlage 1 zur BKV Hinterbliebenenrente ab dem 1. Oktober 2002 zu gewähren.

3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. 4. Die Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen. 5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes aufgrund der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung(BKV) [BK 1303] Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren hat.

Die Klägerin ist Witwe des im Jahre 1924 geborenen und am 27. Oktober 1984 verstorbenen - (im Folgenden: Versicherter). Der Versicherte war von April 1939 bis Juni 1942 als Lehrling und Geselle in der Flugzeug-Motorenschlosserei B. tätig und anschließend bis Mai 1945 bei der Wehrmacht als Kradmelder eingesetzt. Von Juni 1948 bis September 1949 war er im Rahmen der Luftbrücke Berlin auf dem Flugplatz L. für das Warten und Betanken von Flugzeugen zuständig. Von April 1953 bis August 1961 übte der Versicherte Tätigkeiten als Kfz.-Mechaniker bzw. Motorenschlosser aus. Danach arbeitete er bis April 1968 in L. an einer Tankstelle mit Betankungsservice, die er ab November 1961 als selbständiger Unternehmer führte. Von 1968 bis 1972 betrieb der Versicherte eine Autobahntankstelle mit Betankungsservice. Von Januar 1973 bis Oktober 1984 war er Pächter einer Tankstelle ohne Betankungsservice.

Am 14. Oktober 2002 teilte die Klägerin der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung mit, dass der Versicherte 1984 an einem malignen Lymphom verstorben sei. Der Versicherte habe als Motorenschlosser gearbeitet und anschließend Tankstellen mit Betankungsservice betrieben. Es sei davon auszugehen, dass es bei den Tätigkeiten zu erheblichen Benzolbelastungen gekommen sei. Sie bat um Prüfung der Ursächlichkeit der Erkrankung des Versicherten durch die Benzolbelastung und beantragte die Gewährung einer Witwenrente.

Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung leitete ein Berufskrankheitenfeststel-lungsverfahren ein und zog u.a. eine Auskunft des Lymphknotenregisters der deutschen Gesellschaft für Pathologie im Institut für Hämatopathologie vom 19. September 2002 bei. Darin war ausgeführt, beim Versicherten seien im Knochenmark und in einem Lymphknoten ausgedehnte Infiltrate eines zentroblastisch/zentristischen B Zellen-Lymphoms (follikuläres B Zell-Lymphom) nachgewiesen worden. Dabei handele es sich um die häufigste Art der Non-Hodgkin-Lymphome.

Am 22. Januar 2003 gab die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung das Verfahren an die Beklagte ab. Diese holte darauf hin die Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 17. Februar 2003 ein, in der es hieß, der Versicherte sei von 1961 bis 1984 an verschiedenen Tankstellen tätig gewesen. Es habe sich um typische Tätigkeiten eines Tankwarts mit kleiner Reparaturwerkstatt gehandelt. Bei dieser Tätigkeit sei eine kumulative Benzoldosis von ca. 22 ppm-Jahren zu ermitteln. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Belastung niedriger gewesen sei, da insbesondere im Zeitraum von 1973 bis 1984 kein Betankungsservice vorhanden gewesen sei. In der Stellungnahme vom 4. März 2003 ermittelte der Präventionsdienst der Norddeutschen Metallberufsgenossenschaft für die Beschäftigungsverhältnisse vom 13. April 1953 bis 17. August 1961 im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Fahrzeuginstandsetzer eine Benzolexposition von 8,3 ppm-Jahren. Mit Schreiben vom 23. September 2003 teilte der TAD der Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik der Beklagten mit, dass für den Zeitraum von 1939 bis 1942 mit hoher Wahrschein...

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