Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Teilungsordnung gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in einer Teilungsordnung, nach welcher für das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person die Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration der Versicherung der ausgleichspflichtigen Person zur Anwendung kommen, entspricht den Anforderungen von § 11 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG.
2. Der Anwendung der Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration der Versicherung der ausgleichspflichtigen Person steht nicht entgegen, dass nach der sog. "Test-Achats"-Entscheidung des EuGH (NJW 2011, 907) und der hierauf durch den deutschen Gesetzgeber erfolgten Änderung des AGG bei neu begründeten Versicherungsverhältnissen nach dem 21. Dezember 2011 die Verwendung geschlechtsspezifischer Tarife untersagt ist und stattdessen nur noch sog. Unisex-Tarife verwendet werden dürfen.
Normenkette
AGG; VersAusglG § 11 Abs. 1 S. 1
Tenor
I. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 9. Oktober 2019 in Ziffer 2. im dritten Absatz abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der R+V Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 6.648,26 Euro nach Maßgabe der Teilungsordnung der R+V Lebensversicherung AG mit Stand vom 1. März 2020, bezogen auf den 31. März 2019 übertragen.
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2), der R+V Lebensversicherung AG, vom 18. November 2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 9. Oktober 2019 ist gem. §§ 58 ff., 228 FamFG zulässig, insbesondere gem. § 63 Abs. 1, Abs. 3 FamFG fristgerecht binnen eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses erhoben. Der angefochtene Beschluss ist der weiteren Beteiligten zu 2) am 28. Oktober 2019 zugestellt worden; die Beschwerde ist am 21. November 2019 beim Amtsgericht Kiel eingegangen.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die interne Teilung des bei der weiteren Beteiligten zu 2) bestehenden Anrechts des Antragstellers ist nach dem angefochtenen Beschluss nach Maßgabe der Teilungsordnung der weiteren Beteiligten zu 2) mit Stand vom 16. Mai 2019 erfolgt. Inzwischen ist allerdings eine neue Teilungsordnung der weiteren Beteiligten zu 2) mit Stand vom 1. März 2020 ergangen (abrufbar unter www.versorg-lv.ruv.de). Da der jüngere Rechtssatz dem älteren vorgeht, ist die Teilung nunmehr unter Anwendung der Teilungsordnung vom 1. März 2020 durchzuführen (vgl. BGH, FamRZ 2014, 280 a.E.).
Die aktuelle Teilungsordnung der weiteren Beteiligten zu 2) vom 1. März 2020 enthält in Ziffer 5. die Bestimmung, dass für das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person die Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration der Versicherung der ausgleichspflichtigen Person zur Anwendung kommen. Diese Regelung entspricht den Anforderungen von § 11 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG, wonach die interne Teilung die gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten sicherstellen muss. Während bei einer Teilungsordnung, welche vorsieht, dass für das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person die aktuellen Rechnungsgrundlagen - insbesondere der aktuelle Rechnungszins - zur Anwendung kommen, keine gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an dem Anrecht sichergestellt ist (vgl. BGH, FamRZ 2015, 1869; OLG Nürnberg, FamRZ 2019, 876; FamRZ 2016, 819), ist dies bei der nunmehrigen Regelung in der aktuellen Teilungsordnung der weiteren Beteiligten zu 2) der Fall. Nach der aktuellen Regelung kommen für das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person die Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration der Versicherung der ausgleichspflichtigen Person insgesamt zur Anwendung, was insbesondere den dem Anrecht der ausgleichspflichtigen Person zugrundeliegenden Rechnungszins und die diesem zugrundeliegenden Sterbetafeln betrifft.
Der Anwendung der Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration der Versicherung der ausgleichspflichtigen Person steht nicht entgegen, dass nach der sog. "Test-Achats"-Entscheidung des EuGH (NJW 2011, 907) und der hierauf durch den deutschen Gesetzgeber erfolgten Änderung des AGG - Aufhebung von § 20 Absatz 2 Satz 1 AGG und Einfügung von § 33 Abs. 5 AGG mit Wirkung vom 21. Dezember 2011 (Art. 8 Nr. 2 des SEPA-Begleitgesetzes vom 3. April 2013, BGBl. I, 610) - bei neu begründeten Versicherungsverhältnissen nach dem 21. Dezember 2011 die Verwendung geschlechtsspezifischer Tarife untersagt ist und stattdessen nur noch sog. Unisex-Tarife verwendet werden dürfen. Diese Bestimmungen gelten nur für den Abschluss von Neuverträgen (Staudinger/ Serr, BGB, Werksstand: 2018, § 33 AGG, Rn. 21; BeckOGK/ Benecke, Stand: 1. Februar 2020, § 33 AGG, R...