Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 49 Abs. 1 FamFG kann einem Testamentsvollstrecker im Verfahren betreffend Einziehung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses durch einstweilige Anordnung aufgegeben werden, das Testamentsvollstreckerzeugnis zwecks vorläufiger Sicherstellung zur Akte zu reichen.
2. Der Verfahrenswert der einstweiligen Anordnung in Verfahren nach FamFG kann im Einzelfall abweichend von § 62 Satz 2 GNotKG auch geringer als die Hälfte des Wertes der Hauptsache festgesetzt werden.
Normenkette
BGB §§ 2197, 2361, 2368; FamFG § 49 Abs. 1; GNotKG § 62 S. 2
Verfahrensgang
AG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 27.05.2015; Aktenzeichen 11 VI 679/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG Oldenburg vom 27.5.2015 in der Fassung der Berichtigung vom 8.6.2015 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Geschäftswert von 12.900 EUR.
Gründe
I. Die am... 2011 verwitwet und ohne Abkömmlinge verstorbene Erblasserin hat zuletzt unter dem 12.10.2001 ein handschriftliches Testament hinterlassen, in dem sie verschiedene Verfügungen traf und abschließend die Beteiligte zur Testamentsvollstreckerin bestimmte. Der Beteiligten wurde am 8.12.2011 antragsgemäß ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt.
Auf der Grundlage des genannten Testamentes stellte die Beteiligte unter dem 8.12.2012 einen Erbscheinsantrag (Urkunde des Notars... Nr. 105/2012), den sie mit Antrag vom 5.3.2013 (Urkunde des Notars... Nr. 16/2013) änderte. Während des Erbscheinsverfahrens wurde bekannt, dass für die Erblasserin auf der Grundlage eines Gutachtens des Arztes für Psychiatrie Dr. A. vom 18.7.2001 (Bl. 357 ff. der Beiakte, Erbscheinsverfahren Az.:...) mit Beschluss vom 18.9.2001 eine Betreuung eingerichtet worden war. Das AG hat im Erbscheinsverfahren den Arzt Dr. A. schriftlich als Zeugen vernommen. Er hat in seiner Aussage vom 10.11.2013 (Bl. 235 ff. der Beiakte) u.a. ausgeführt, die Erblasserin habe im fraglichen Zeitraum 17.7. bis 12.10.2001 an einer Demenz vom Alzheimer-Typ gelitten. Das Symptombild einer Demenz mit erheblicher Einschränkung der intellektuellen und insbesondere mnestischen Fähigkeiten und der Orientierung habe sowohl am 17.7.2001 als auch am 1.12.2002 bestanden. Zu diesen beiden Untersuchungszeitpunkten habe er einen klaren psychopathologischen Befund erheben können, der zur Diagnosestellung geleitet habe. Zu den Untersuchungszeitpunkten sei die Testierfähigkeit praktisch ausgeschlossen gewesen, für den Zeitraum dazwischen habe eine geringe Restwahrscheinlichkeit bestanden, dass sie noch ein Testament habe übersehen können.
Das AG hat des Weiteren eine schriftliche Aussage des Hausarztes der Erblasserin Dr. B. eingeholt (Bl. 266f der Beiakte) und ein schriftliches Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. C., Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie... sowie der dortigen Oberärztin Dr. med. D., das diese unter dem 26.5.2014 (Bl. 325 ff. der Beiakte) erteilt haben und das Ersterer unter dem 22.12.2014 (Bl. 370f der Beiakte) schriftlich ergänzt hat. In der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens vom 26.5.2014 heißt es, dass bei der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 12.10.2001 eine Alzheimer-Demenz im fortgeschrittenen Stadium vorgelegen habe. Sie habe sich im letzten Stadium der Erkrankung befunden, so dass aus dem klinischen Verlauf und den Befunden gefolgert werden könne, dass eine Testierunfähigkeit vorgelegen habe.
Mit Beschluss vom 27.5.2015 hat das AG in der Sache Az.:... entschieden, dass die auf der Grundlage des Testamentes vom 12.10.2011 gestellten Erbscheinsanträge zurückgewiesen werden, weil das Testament aufgrund fehlender Testierfähigkeit der Erblasserin im Errichtungszeitpunkt unwirksam sei. Gegen diesen Beschluss ist Beschwerde eingelegt worden, die sich noch im Abhilfeverfahren bei dem AG befindet.
Im vorliegenden Verfahren hat das AG mit Beschluss vom 27.5.2015 (Bl. 20 d.A.) - berichtigt durch Beschluss vom 8.6.2015 (Bl. 37 d.A.) - entschieden, dass das Testamentsvollstreckerzeugnis vom 8.12.2011 sichergestellt und der Beteiligten aufgegeben werde, es unverzüglich bei Gericht einzureichen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, nach den vorliegenden Gutachten bzw. Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. C. sei von einer Testierunfähigkeit der Erblasserin auszugehen. Dann wäre auch die Einsetzung der Beteiligten als Testamentsvollstreckerin unwirksam. Bis zur endgültigen Entscheidung über die Einziehung des Testamentsvollstreckerzeugnisses sei dieses sicherzustellen.
Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte am 11.6.2015 und erneut (vorsorglich) am 15.6.2015 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, die Unwirksamkeit des Testamentes führe nicht zur Unwirksamkeit des Bestellungsaktes der Testamentsvollstreckung. Eine Anfechtung sei nicht ersichtlich und wegen Verfristung auch nicht mehr möglich. Höchst vorsorglich führe sie aus, dass Entscheidungen von ihr nicht getroffen und Handlungen gegenwärtig nicht vollzogen wü...