Verfahrensgang
AG Flensburg (Beschluss vom 02.06.2021; Aktenzeichen 95 F 126/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Flensburg vom 02.06.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Beschwerde werden dem Beteiligten zu 2. auferlegt.
3. Der Antrag des Beteiligten zu 2. auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Beschwerderechtszug wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die elterliche Sorge für den Jugendlichen R. S.. Das Familiengericht hat der Beteiligten zu 1. die elterliche Sorge für R. mit Beschluss vom 02.06.2021 allein übertragen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2.
1. Nachdem der Beteiligte zu 2. in erster Instanz noch die Übertragung des Sorgerechts für R. auf sich allein verfolgt hatte, begehrt er mit seiner Beschwerde nunmehr die Wiedereinrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge mit der Beteiligten zu 1. für R..
2. Er bringt zur Begründung seiner Beschwerde vor, er habe seinen Sohn nicht gestalked. Der Sorgerechtsentzug werde die Entfremdung zwischen ihm und R. vertiefen. Er stelle den Lebensmittelpunkt R. s bei der Beteiligten zu 1. nicht in Frage. Auch in schulischen und gesundheitlichen Angelegenheiten stimme er mit der Beteiligten zu 1. überein. Er sei weiterhin bereit, der Beteiligten zu 1. eine Sorgerechtsvollmacht zu erteilen, um ihr Sorgerechtsentscheidungen einfacher zu ermöglichen. Er wolle lediglich die Möglichkeit behalten, eigenständig Erkundigungen bei Dritten über R. einzuholen, da die Beteiligte zu 1. ihn nicht informiere. Er sehe nur den Medienkonsum R. s kritisch. Dies müsse aus seiner Sicht geklärt werden. Das Familiengericht habe nicht aufgeklärt, ob R. dazu in der Lage sei, den Unterschied zwischen Umgang und Sorgerecht zu erkennen und ob R. beeinflusst worden sei.
3. Die Beteiligten zu 1. und 3. treten der Beschwerde unter Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen entgegen.
II. Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2. hat keinen Erfolg.
1. a) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann nach § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dem Antrag kann danach nur stattgegeben werden, wenn die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge aus Kindeswohlgründen ausscheidet und die für die Zuweisung der Alleinsorge an den Antragsteller notwendigen zusätzlichen Kriterien mit einem für das Kindeswohl entscheidenden Übergewicht beim Antragsteller erfüllt sind (vgl. BGH FamRZ 2016, 1439 Rn. 16 ff.; Palandt/Götz BGB 80. Aufl. § 1671 Rn. 12 f.).
b) Für die Entscheidung, ob die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspricht, sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens. Diese Kriterien stehen aber nicht kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Kindeswohl entspricht (BGH a.a.O. Rn. 18-20 m.w.N.).
c) Mit der Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung der Alleinsorge auf den antragstellenden Elternteil gemäß § 1671 BGB ist zwangsläufig ein Eingriff in das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht des anderen Elternteils verbunden. Auch die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge unterliegt daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie kommt deshalb nur in Betracht, wenn dem Kindeswohl nicht durch mildere Mittel als die Sorgerechtsübertragung entsprochen werden kann (vgl. BVerfG FamRZ 2019, 802 Rn. 2; BGH FamRZ 2020, 1171 Rn. 18).
d) Die Bevollmächtigung eines mitsorgeberechtigten Elternteils durch den anderen kann eine Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen, wenn und soweit sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange gibt; aus der fortbestehenden elterlichen Sorge nach §§ 1626 ff. BGB ergibt sich sodann regelmäßig das erforderliche Grundverhältnis. Das setzt allerdings auch eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern voraus, soweit eine solche unter Berücksichtigung der durch die Vollmacht erweiterten Handlungsbefugnisse des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich ist (BGH a.a.O. Rn. 18, 21, 26 und 28). Es ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob die Vollmacht unter den gegebenen Umständen ausreicht, um die Kindesbel...