Verfahrensgang
LG Lübeck (Aktenzeichen 3 O 290/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 24.02.2022, Az. 3 O 290/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Termin vom 26.04.2023 wird aufgehoben.
3. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf bis zu 15.000,- EUR festzusetzen.
4. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz im Rahmen des sogenannten Dieselabgasskandals. Die Klägerin erwarb am 03.08.2018 einen gebrauchten PKW Typ VW Tiguan 2.0 TDI, Erstzulassung: 22.12.2015, für einen Kaufpreis von 16.699,- EUR brutto bei einem Kilometerstand von 31.733 km. Dieser ist mit einem von der Beklagten hergestellten Motor vom Typ EA 288 mit der Schadstoffklasse Euro 6 ausgestattet. Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 22.02.2022 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte bestehe nicht. Der Vortrag der Klägerin, die schädigende Handlung der Beklagten liege in dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer Abgasabschalteinrichtung, sei bereits erkennbar ohne Substanz, so dass die Durchführung einer Beweisaufnahme nicht gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe in der Klagerwiderung unter Bezugnahme auf den Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" substantiiert dazu vorgetragen, dass Messungen des KBA zu variierten Prüfbedingungen gezeigt hätten, dass das bei den EA 288-Motoren verwendete Abgasnachbehandlungssystem bei voller Funktionsfähigkeit aller abgasbehandelnden Bauteile die gesetzlich vorgegebenen Abgasgrenzwerte einhalte und dies unabhängig von einer Fahrkurvenerkennung erfolge. Die Klägerin habe in diesem Zusammenhang auch den unbestrittenen Vortrag der Beklagten, dass innerhalb von drei Prüfzyklen über einen Zeitraum von sechs Jahren durch das KBA hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Motortyps EA 288 keine generellen Beanstandungen erfolgt seien und das Fahrzeug weder von einem Rückruf noch einem drohenden Fahrverbot bedroht gewesen sei noch solches absehbar sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso Abschalteinrichtungen danach nicht hätten auffallen und zu einem Rückruf führen sollen. Hinzu komme, dass dem KBA die Fahrkurvenerkennung sowie das Thermofenster vom Prinzip her bekannt gewesen seien.
Darüber hinaus biete auch die freiwillige Kundendienstmaßnahme zur Reduzierung des Stickoxidausstoßes keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung. Insoweit werde auf die Entscheidung des OLG Schleswig, Urteil v. 21.01.2021 - 1 U 54/21 - Bezug genommen.
Soweit die Klägerin vortrage, dass die Überschreitung der Grenzwerte bei Messungen im realen Fahrbetrieb auf unzulässige Abschalteinrichtungen schließen lasse, könnten die Ursachen hierfür vielfältiger Natur sein (vgl. OLG Schleswig, Urteil v. 21.01.2021 - 1 U 54/21).
Selbst bei Erweislichkeit eines Thermofensters, wäre nicht von einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerin durch die Beklagte auszugehen und/oder es mangele an einem kausalen Schaden.
Hinsichtlich des Thermofensters dürfte die Annahme einer europarechtlich unzulässigen Abschalteinrichtung mit Blick auf die Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 (C-693/19) zwar nicht ausgeschlossen sein. Der Beklagten sei allerdings jedenfalls und insbesondere hinsichtlich der Implementierung eines Thermofensters unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Schleswig vom 13.08.2021 - 17 U 9/21 - keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen.
Jedenfalls aber mangele es nicht nur mit Blick auf das Thermofenster, sondern auch mit Blick auf die sonstigen behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen an einem kausal bedingten haftungsausfüllenden Schaden. Auch insofern schließe sich das Landgericht der Entscheidung des OLG Schleswig vom 13.08.2021 - 17 U 9/21 - an.
Auch andere deliktische Grundlagen kämen nicht in Betracht. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheiterten schon daran, dass den unionsrechtlichen Vorschriften - wie auch § 38 BImSchG - kein Schutzgesetzcharakter zukomme. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB scheitere ebenfalls.
Soweit die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe von 1.096,68 EUR infolge der weiteren Nutzung des Fahrzeugs nach Rechtshängigkeit der Klage einseitig für erledigt erklärt habe, sei die seitens der Klägerin nunmehr begehrte Feststellungsklage aus den genannten Gründen ebenfalls abzuweisen.
Mangels Hauptanspruchs scheiterten die geltend gemachten Nebe...