Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrechtliche und materielle Voraussetzungen einer familienrechtlichen Genehmigung nach § 112 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Die Versagung einer familiengerichtlichen Genehmigung der Ermächtigung der Eltern zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts durch deren Kind kann von dem mindestens 14 Jahre alten Kind ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters angefochten werden.
2. Im Verfahren über die Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung der Ermächtigung der Eltern zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts durch deren Kind beträgt die Beschwerdefrist zwei Wochen.
3. Ein Minderjähriger bedarf für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Erteilung einer Genehmigung des Familiengerichts nach § 112 BGB der Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters.
4. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung nach § 112 BGB ist, dass der Minderjährige über seine Jahre hinaus gereift ist und sich damit im Rechts- und Erwerbsleben schon im Wesentlichen wie ein Volljähriger verhalten kann und dies seiner Veranlagung nach auch tun wird.
Normenkette
BGB § 112; FamFG § 9 Abs. 1 Nr. 3, §§ 60, 63 Abs. 2 Nr. 2
Tenor
I. Die Beschwerde des Jugendlichen vom 30. Oktober 2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 20. September 2019 wird zurückgewiesen.
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. In dem vorliegenden Verfahren geht es um die familiengerichtliche Genehmigung der Ermächtigung der Kindeseltern zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts durch einen Jugendlichen.
Der Jugendliche ist zwischenzeitlich 16 Jahre alt und besucht die zehnte Klasse. Er lebt bei seinen Eltern, welche die elterliche Sorge für ihn gemeinsam ausüben. Der Jugendliche möchte mit Ermächtigung seiner Eltern einen selbständigen Gewerbebetrieb zum Verkauf von ... gründen und diesen als Kleingewerbe führen.
Mit einer E-Mail vom 29. August 2018 hat sich der damals gerade 14jährige Jugendliche an die Verwaltung des Amtsgerichts Schleswig gewandt, um die familiengerichtliche Genehmigung der Ermächtigung seiner Eltern zu erlangen. Die E-Mail ist als externe E-Mail vom Dienstleister Dataport am 31. August 2018 an die Verwaltung des Amtsgerichts Schleswig weitergeleitet worden.
Auf die Aufforderung des Familiengerichts haben die Kindeseltern eine schriftliche Ermächtigung vom 6. Juni 2019 vorgelegt, wonach sie ihrem Sohn die Ermächtigung zum Führen eines selbständigen Betriebes in Form des Vertriebs von digitalen Gütern auf einer Website erteilen.
Der Jugendliche hat einen siebenseitigen "Businessplan" eingereicht, sein Schulzeugnis der achten Klasse vom 6. Juli 2018 sowie eine schriftliche Stellungnahme des stellvertretenden Schulleiters vom 4. Juni 2019. Wegen der Einzelheiten wird auf die in der Akte befindlichen Unterlagen Bezug genommen.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Schleswig hat den Jugendlichen am 30. April 2019 und die Kindesmutter am 8. Juli 2019 persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf den Vermerk über die Sitzung des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 30. April 2019 sowie auf den Vermerk über die Sitzung des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 8. Juli 2019 Bezug genommen. Der Kindesvater ist nicht persönlich angehört worden. Auch das zuständige Jugendamt ist nicht angehört worden.
Mit Beschluss vom 20. September 2019 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Schleswig die familiengerichtliche Genehmigung der erteilten Ermächtigung versagt.
Gegen den ihm am 28. September 2019 zugestellten Beschluss hat der Jugendliche mit einem auf den 30. Oktober 2019 datierten, von ihm und der Kindesmutter unterzeichneten Schreiben, eingegangen beim Amtsgericht Schleswig am 11. Oktober 2019, "Erinnerung" eingelegt.
Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 11. Juni 2020 hat der Jugendliche mit Schreiben vom 27. Juni 2020 ergänzend Stellung genommen und als weitere Unterlagen eine "Aktuelle Konzeptionierung", das Schulzeugnis der 10. Klasse vom 26. Juni 2020 sowie eine Mail an das Amtsgericht Schleswig vom 26. August 2018 eingereicht.
II. 1.) Die am 11. Oktober 2019 beim Amtsgericht Schleswig eingegangene, auf den 30. Oktober 2019 datierte "Erinnerung" des Jugendlichen ist als Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 20. September 2019 auszulegen. Statthafter Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig ist gem. §§ 11 Abs. 1 RpflG, 58 Abs. 1 FamFG die Beschwerde. Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich um eine Endentscheidung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG in einer Kindschaftssache (Heilmann in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Auflage, 2018, § 151 FamFG, Rn. 11), über welche gem. §§ 3 Nr. 2 Buchstabe a), 14 RpflG die Rechtspflegerin entschieden hat....