Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsfrist gem. § 517 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist unverzichtbar, dass innerhalb der Fünfmonatsfrist des § 517 ZPO ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkündung eines Urteils auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Urteilsformel erstellt wird.

2. Die Verkündung eines Urteils ist wirksam, auch wenn das Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht innerhalb der Regelfrist von drei Wochen nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet worden ist.

3. Das Urteil ist auch dann wirksam verkündet worden, wenn das Urteil in dem zur Verkündung anberaumten Termin noch nicht in vollständiger Form abgefasst war. Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nicht wesensmäßige Voraussetzungen eines Urteils.

4. Der Beginn der einmonatigen Berufungsfrist mit Ablauf von fünf Monaten seit Erlass der Entscheidung greift auch dann, wenn die Zustellung unterblieben ist oder die zugestellte Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung vom Original abweicht.

5. Es hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Verkündung, dass beim Ablauf der Fünfmonatsfrist noch nicht die vollständige Entscheidung vorgelegen hat. Der letzte Halbsatz des § 517 ZPO verhindert, dass deswegen nie Rechtskraft eintritt. Entsprechend der Ratio der Regelung, die an die Verkündung anknüpft, genügt es, dass diese wirksam war, mangelfrei muss sie nicht sein.

6. Muss eine Partei mit dem Erlass einer Entscheidung nicht rechnen und kann es ihr deshalb nicht zugemutet werden, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine solche Entscheidung ergangen ist, kann ausnahmsweise die Fünfmonatsfrist nicht zu laufen beginnen, was etwa dann in Betracht kommt, wenn die beschwerte Partei im Verhandlungstermin nicht vertreten und zu diesem Termin auch nicht ordnungsgemäß geladen war.

 

Normenkette

ZPO § 310 Abs. 1 S. 2, § 517

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Berufungsstreitwert wird auf EUR 71.783,60 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund vermeintlich fehlerhafter Anlageberatung.

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 25. März 2019 Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung für den 25. Juni 2019 anberaumt (Blatt 194 f. d. A.). Dieser Termin ist mit Verfügung vom 20. Juni 2019 auf den 1. Oktober 2019 (Blatt 219 d. A.), sodann nochmals mit Verfügung vom 19. August 2019 (Blatt 229 d. A.) auf den 25. November 2019 und schließlich mit Verfügung vom 28. Oktober 2019 (Blatt 239 d. A.) auf den 25. Februar 2020 verlegt worden. Am 25. Februar 2020 hat gemäß Protokoll vom selben Tag (Blatt 246 ff. d. A.) die mündliche Verhandlung stattgefunden. In dieser ist Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt worden auf den 7. April 2020. Mit Verfügung vom 7. April 2020 (Blatt 256 R d. A.) ist dieser Termin zur Verkündung einer Entscheidung verlegt worden auf den 28. April 2020. Durch Beschluss vom 28. April 2020 (Blatt 266 f. d. A.) ist dieser Verkündungstermin erneut verlegt worden auf den 12. Mai 2020.

Am 12. Mai 2020 hat das Landgericht gemäß von der entscheidenden Einzelrichterin unterschriebenen Protokolls vom selben Tage (Blatt 269 d. A.) ein Urteil verkündet. Dieses Urteil (Blatt 271 f. d. A.), das allein einen klageabweisenden Tenor und eine Streitwertfestsetzung enthält, hat die Richterin unterschrieben, liegt dem Verkündungsprotokoll an und ist ausweislich eines hierauf befindlichen Stempels am 12. Mai 2020 bei der Serviceeinheit eingegangen. Offenbar sind aber weder Verkündungsprotokoll noch Urteil an die Parteien zugestellt worden.

Nachdem beide Parteivertreter um Übersendung der Entscheidung vom 12. Mai 2020 gebeten hatten, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsätzen vom 28. September 2020 (Blatt 277 d. A.) und 4. November 2020 (Blatt 279 d. A.) um Anberaumung eines neuen Verkündungstermins gebeten. Mit Beschluss vom 18. November 2020 (Blatt 280 f. d. A.) hat das Landgericht sodann darauf hingewiesen, dass die Akte im richterlichen Bereich bedauerlicherweise außer Kontrolle geraten sei. Es sei bisher keine Entscheidung abgefasst worden und es werde um Mitteilung gebeten, ob das Einverständnis mit dem schriftlichen Verfahren erklärt werde. Nach Zustimmung der Parteien hat sodann das Landgericht mit Beschluss vom 25. November 2020 (Blatt 289 d. A.) das schriftliche Verfahren angeordnet, den Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, auf den 23. Dezember 2020 bestimmt und Termin zur Verkündung einer Entscheidu...

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