Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden bei falscher Schreibweise des eigenen Vornamens
Leitsatz (amtlich)
1. Das Grundbuchamt hat die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung (hier: der Vollmacht) selbständig zu prüfen. Dabei hat es vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit Volljähriger auszugehen. Ergeben sich jedoch auf Tatsachen gegründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, ist dem durch Zwischenverfügung nachzugehen und dem Antragsteller aufzugeben, die Zweifel etwa durch Vorlage ärztlicher Bescheinigungen auszuräumen. An die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit durch den beurkundenden Notar ist das Grundbuchamt nicht gebunden.
2. Hat der Erklärende bei der Unterschrift unter die Urkunde seinen Vornamen nicht fehlerfrei geschrieben und dies entweder nicht bemerkt hat oder trotz eines Bemerkens so hingenommen, kann dies Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich nicht um einen bloßen Schreibfehler im Sinne einer motorischen Fehlleistung handelt, sondern um eine falsche Reihenfolge der Buchstaben. Selbst wenn man ein Vertauschen der Buchstaben beim eigenen Vornamen noch für nachvollziehbar hielte, ist die Tatsache, dass der Fehler nicht korrigiert wurde, nur noch schwerlich zu erklären. Jedenfalls begründet dies einen so erheblichen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden, dass nicht mehr vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann.
Normenkette
GBO §§ 18, 20, 29
Tenor
Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 30.11.2022 wird auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Im Grundbuch von X Blatt ... des Amtsgerichts Y sind Herr S1 (im Folgenden: Erblasser) sowie die Antragstellerin und Beteiligte zu 2 zu je 1/2 als Miteigentümer eingetragen. Die Beteiligte zu 2 wurde am ...1933 geboren.
Am 24.11.2022 haben die Antragsteller die Löschung eines Rechtes, die Schließung des Erbbaugrundbuches und die Eintragung einer Eigentumsvormerkung gemäß § 7 des (beigefügten) Vertrages beantragt. Dem Antrag beigefügt war ein Grundstückskaufvertrag vom 23.11.2022 (UVZ-Nr. ... des Notars Z aus X). Ausweislich dieses Vertrages veräußern die Antragsteller und Beteiligten zu 1-4 (zugleich Erben des Erblassers) das verfahrensgegenständliche Grundstück, wobei die Beteiligte zu 2 durch ihren Sohn, den Beteiligten zu 1, vertreten wurde. Ebenfalls beigefügt war die Generalvollmacht mit Betreuungsverfügung vom 10.05.2022 (UVZ-Nr. ... des Notars Z aus X), mit der die Beteiligte zu 2 den Beteiligten zu 1 umfassend bevollmächtigt hat. Am Ende der Urkunde befindet sich an der Stelle über der Unterschrift des Notars folgendes handschriftliches Schriftbild: Zunächst sind schwach ein "S" sowie einige unleserliche Striche dahinter zu erkennen. Danach ist der Nachname der Beteiligten zu lesen und dahinter die Buchstabenfolge "Eran". Zur Errichtung der Vollmachtsurkunde hatte sich der Notar in die Pflegeeinrichtung begeben, in der die Beteiligten zu 2 wohnt.
Nach einem ersten Hinweis des Grundbuchamtes vom 30.11.2022, in dem Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 geäußert wurden, nahm der Notar dahingehend Stellung, dass die Beteiligte zu 2 nach seiner Einschätzung zwar etwas aufgeregt, aber absolut klar und im Bilde gewesen sei, er habe mit ihr eingehend über die beabsichtigte Erteilung einer Generalvollmacht gesprochen. Aufgrund ihrer körperlichen Gebrechlichkeit und latenten Aufgeregtheit sei sie nicht in der Lage gewesen, ihre Unterschrift flüssig unter die Urkunde zu setzen. Daher würde auch das nicht identifizierbare Schriftzeichen herrühren.
Mit der angegriffenen Zwischenverfügung vom 02.12.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Y den Antragstellern aufgegeben, die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Das Grundbuchamt habe begründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung. Die nicht eindeutig identifizierbaren Schriftzeichen vor der Unterschrift der Beteiligten würden für sich allein betrachtet nicht zwingend auf eine Geschäftsunfähigkeit hindeuten. Ein im eigenen Vornamen enthaltener Schreibfehler in Form eines Buchstabendrehers ("Eran" statt "Erna") würde hingegen erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit begründen, da er regelmäßig auf eine starke Einschränkung im Bereich der geistigen Funktionen zurückzuführen sei. Die vom Notar angeführte Aufgeregtheit der Beteiligten zu 2 als Ursache überzeuge nicht. Selbst wenn der Schreibfehler selbst hierauf zurückzuführen sein möge, bliebe unerklärt, weshalb der Fehler von der Beteiligten offensichtlich unbemerkt und unkorrigiert geblieben sei. An die Überzeugung des Notars, bei dem bei Beurkundung keine Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 aufgekommen seien, sei das Grundbucham...