Leitsatz (amtlich)
Eine mündliche Erörterung im Sinne der §§ 57 Satz 2, 32 Abs. 1 Satz 1 FamFG liegt zwar auch dann vor, wenn ein Beteiligter nicht zum Termin erscheint, obgleich er ordnungsgemäß geladen worden ist und daher lediglich eine einseitige mündliche Erörterung mit dem erschienenen Beteiligten stattfindet (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2013, 316). Erscheint zu dem vom Familiengericht anberaumten Termin trotz ordnungsgemäßer Ladung jedoch keiner der Beteiligten, liegt auch keine mündliche Erörterung vor.
Normenkette
FamFG § 32 Abs. 1 S. 1, § 57 S. 2; GewSchG § 1
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 7. November 2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 4. November 2020 wird als unzulässig verworfen.
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Auf den Antrag der Antragstellerin vom 9. Oktober 2020 hatte das Amtsgericht - Familiengericht - Kiel mit Beschluss vom gleichen Tage wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Anordnung nach § 1 GewSchG gegen den Antragsgegner erlassen.
Nachdem dem Antragsgegner der Beschluss am 9. Oktober 2020 zugestellt worden war, hat er am 19. Oktober 2020 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und zugleich zu den Vorwürfen der Antragstellerin inhaltlich Stellung genommen. Daraufhin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Kiel Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29. Oktober 2020 bestimmt. Die Ladung ist der Antragstellerin am 22. Oktober 2020 und dem Antragsgegner am 21. Oktober 2020 zugestellt worden. In dem Termin vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kiel sind jedoch weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner erschienen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. November 2020 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Kiel daraufhin die Anordnungen aus dem Beschluss vom 9. Oktober 2020 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Gegen den ihr am 6. November 2020 zugestellten Beschluss hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 7. November 2020, eingegangen beim Amtsgericht Kiel am 17. November 2020, gewandt und dargelegt, dass sie aus Angst nicht zu dem Termin erschienen sei. Zugleich hat sie vorgetragen, vom Antragsgegner wieder beleidigt und bedroht worden zu sein. Auf Nachfrage des Familiengerichts hat sie am 3. Dezember 2020 mitgeteilt, dass ihr Schreiben vom 7. November 2020 als Beschwerde gegen den Beschluss vom 29. Oktober 2020 gewertet werden solle.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen, da sie bereits nicht statthaft ist.
Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen sind grundsätzlich gem. § 57 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar. Eine Ausnahme gilt nach § 57 Satz 2 FamFG unter anderem dann, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges auf Grund mündlicher Erörterung über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 GewSchG entschieden hat. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Kiel hat auf den Antrag des Antragsgegners zwar Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. In dem Termin sind jedoch weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner erschienen, so dass die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 4. November 2020 nicht auf Grund mündlicher Erörterung ergangen ist.
Zweck der mündlichen Erörterung ist es, die Sachaufklärung zu fördern, rechtliches Gehör zu gewähren und Gelegenheit zur gütlichen Einigung zu geben (OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 1243 = BeckRS 2011, 06256). Eine mündliche Erörterung im Sinne der §§ 57 Satz 2, 32 Abs. 1 Satz 1 FamFG liegt zwar auch dann vor, wenn ein Beteiligter nicht zum Termin erscheint, obgleich er ordnungsgemäß geladen worden ist (OLG Frankfurt, FamRZ 2013, 316), und daher lediglich eine einseitige mündliche Erörterung mit dem erschienenen Beteiligten stattfindet. Andernfalls wäre es dem betreffenden, nicht erscheinenden Beteiligten möglich, ein Verfahren in der ersten Instanz durch bloßes Nichterscheinen zu blockieren (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.).
Erscheint zu dem vom Familiengericht anberaumten Termin trotz ordnungsgemäßer Ladung jedoch keiner der Beteiligten, liegt auch keine mündliche Erörterung vor. Das Amtsgericht - Familiengericht - Kiel hat seinen angefochtenen Beschluss dementsprechend auch nicht auf Erkenntnisse aus dem Termin vom 29. Oktober 2020 gestützt, sondern lediglich auf die ihm schriftlich vorliegenden, sich widersprechenden Erklärungen der Beteiligten.
Vergleichbar mit den Fällen, in denen das Familiengericht nach Durchführung eines Termins noch weitere Ermittlungen anstellt und erst anschließend seine Entscheidung trifft, ist auch die angefochtene Entscheidung nicht auf Grund mündlicher Erörterung ergangen.
An der Unzulässigkeit der Beschwerde...