Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung eines Erbscheins nach der am 20. Januar 1999 in G, Gemeinde, verstorbenen und zuletzt dort wohnhaft gewesenen. Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Nachlassgericht handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Versicherung an Eides Statt nach § 2356 Abs. 2 Satz 2 BGB bezüglich solcher Angaben verlangt, für deren Richtigkeit lediglich ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht oder welche bloß aktenkundige Tatsachen aus beigezogenen Akten eines anderen Verfahrens sind. Als offenkundig sind nur solche Tatsachen anzusehen, welche allgemeinkundige Tatsachen sind oder welche dem Gericht aus seiner sonstigen amtlichen Tätigkeit bekannt sind.

 

Normenkette

BGB § 2354 Nrn. 3-4, § 2356 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 21.03.2000; Aktenzeichen 3 T 100/00)

AG Eutin (Aktenzeichen VI 299/99)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte nach einem Beschwerdewert bis zu 22.500,00 DM zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte ist die Schwester der am 20. Januar 1999 verstorbenen E. M. (im folgenden Erblasserin). Sie hat, vertreten durch ihren Betreuer, einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Dabei hat sie darum gebeten, ihr die Versicherung an Eides Statt gemäß § 2356 Abs. 2 S. 2 BGB zu erlassen, um dem Betreuer Mühe und der Beteiligten Kosten zu ersparen und dies damit begründet, es handele sich um einen einfach gelagerten Fall, weil es um gesetzliche Erbfolge gehe. Das Amtsgericht hat die Beteiligte darauf hingewiesen, daß es am Erfordernis einer eidesstattlichen Versicherung auch im vorliegenden Fall festhalte. Es hat dies u. a. damit begründet, daß in Fällen der gesetzlichen Erbfolge das Gericht eher höhere Anforderungen als in Fällen der testamentarischen Erbfolge an das Vorliegen eines einfach gelagerten Falls stellen müsse, da anders als im Erbscheinsverfahren aufgrund testamentarischer Erbfolge sonstige Beteiligte im Verfahren nach gesetzlicher Erbfolge nicht angehört würden. Gegen einen einfach gelagerten Fall im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge spreche, daß es sich bei der Beteiligten nicht um eine Erbin der ersten Ordnung handele. Die Kostenfrage sei selbst bei einem geringen Nachlaßwert kein entscheidender Gesichtspunkt, von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abzusehen. Die Beteiligte hat auf ihrer Rechtsauffassung beharrt. Das Amtsgericht hat daraufhin den Antrag auf Erbscheinserteilung durch Beschluß vom 3. Februar 2000 zurückgewiesen, weil der gesetzliche Vertreter der Beteiligten trotz gerichtlichen Hinweises die geforderte eidesstattliche Versicherung nicht beigebracht habe.

Dagegen hat die Beteiligte Erinnerung eingelegt. Sie hat nunmehr behauptet, die Erblasserin sei, wie ihr Hausarzt festgestellt habe, „virgo intacta” gewesen. Sie habe deshalb keine Kinder und Enkelkinder haben können. Auch das Vorliegen einer Verfügung der Erblasserin von Todes wegen sei auszuschließen, weil sie am 25. Februar 1992 mit ihrem Mann ein gemeinschaftliches Testament errichtet habe, an das sie bis zu seinem Tod am 29. März 1996 gebunden gewesen sei.

Danach sei sie nicht mehr in der Lage gewesen, wirksam ein Testament zu errichten, weil sie geschäftsunfähig gewesen sei. Dies habe der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig in seinem am 10. Dezember 1999 verkündeten Urteil in dem Verfahren 1 U 219/97 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens festgestellt. Die an Eides Statt zu versichernden Tatsachen seien deshalb offenkundig im Sinne des § 2356 Abs. 3 BGB.

Das Landgericht hat die als Beschwerde anzusehende Erinnerung durch Beschluß vom 21. März 2000 zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Das Amtsgericht habe den Erbscheinsantrag zu Recht mangels Vorlage der geforderten eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen. Der begehrte Erlaß der eidesstattlichen Versicherung stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlaßgerichts, § 2356 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Grenzen dieses Ermessens habe das Nachlaßgericht nicht verletzt. Die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung könne in einfach gelagerten Fällen erlassen werden. Um solche Fälle handele es sich etwa, wenn der Erbe nach Wegfall der Testamentsvollstreckung eines neuen Erbscheins bedürfe oder der Nacherbe einen Erbschein nach Eintritt des Nacherbfalls oder vorheriger Erteilung eines Erbscheins für den Vorerben beantrage. Um einen solch einfach gelagerten Fall handele es sich nicht. Es möge sein, daß die von der Beteiligten vorgelegte Urkunde die von ihr behaupteten Tatsachen – Fehlen von Abkömmlingen der Erblasserin und deren Geschäftsunfähigkeit im Februar 1995 – nahelegten. Dies lasse die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung jedenfalls im Hinblick auf die nach § 2354 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu versichernde Tatsache – Bestehen einer letztwilligen Verfügung der Erblasserin – nicht entbehrlich erscheinen. Auch bei Geschäftsunfähigkeit sei die Erblasserin nicht zwingend gehindert, weitere letz...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge