Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenverteilung nach Antragsrücknahme im Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt der Antragsteller den Erbscheinsantrag zurück, muss das Gericht über Frage der Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beteiligten eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen treffen. Einen Grundsatz, dass jeder Beteiligte in der Regel (außerhalb der Fälle des § 81 Abs. 2 FamFG) seine Kosten selbst trägt, gibt es unter der Geltung des FamFG nicht.

2. Folgt der Erbscheinsantrag dem im Testament dokumentierten Willen des Erblassers und nimmt der Antragsteller seinen Antrag nach gutachterlicher Feststellung der Testierunfähigkeit zurück, spricht gegen eine Kostenentscheidung allein zu Lasten des Antragstellers, der bei seiner Antragstellung gegen die Testierfähigkeit sprechende Anhaltspunkte kannte, wenn sein Antrag bei objektiver Prüfung jedenfalls nicht von vornherein als aussichtslos angesehen werden musste.

 

Normenkette

FamFG §§ 68, 81 Abs. 2, § 83

 

Verfahrensgang

AG Kiel (Beschluss vom 01.03.2013)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des AG Kiel vom 1.3.2013 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 1. im Beschwerdeverfahren trägt die Beteiligte zu 2. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.

Der Geschäftswert im Beschwerdeverfahren beträgt 4.659 EUR.

 

Gründe

I. Der geschiedene und am ... 2010 verstorbene Herr A, nachfolgend Erblasser genannt, hatte am 16.10.2007 ein handschriftliches Testament errichtet, mit dem er seinen Sohn, den Beteiligten zu 1., zu seinem Erben berief (Bl. 6 der Beiakte, nämlich des Akte des AG zum Aktenzeichen 1 IV 1108/10).

Der Beteiligte zu 1. hat mit notariellem Antrag vom 1.12.2010 beim AG Kiel - Nachlassgericht - einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist. Die Beteiligte zu 2., Tochter und einziges weiteres Kind des Erblassers, ist diesem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, sie habe Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers. Der Erblasser sei am 6.12.2007 in einem stark verwahrlosten und abgemagerten Zustand in das Universitätsklinikum eingeliefert und nachfolgend mit der Verdachtsdiagnose Demenz auf die geschlossene psychiatrische Station zur stationären Behandlung verlegt worden.

Das AG hat zunächst schriftliche Zeugenaussagen u.a. von verschiedenen Nachbarn des Erblassers - wie z.B. von Frau Dr. B (Bl. 63 ff. d.A.) und Herrn C (Bl. 78 ff. d.A.) - u.a. zu dessen gesundheitlichen Zustand in Bezug auf dessen Testierfähigkeit zur Zeit der Errichtung des Testaments eingeholt. Verschiedene Krankenunterlagen betreffend die stationären Behandlungen des Erblassers vom 7.12.2007 bis 13.2.2008 wie der Bericht des Zentrums für Integrative Psychiatrie vom 12.2.2008 (Bl. 57 ff. d.A.) sind vorgelegt worden. Sodann hat das AG ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Testierfähigkeit des Erblassers eingeholt. Der vom AG beauftragte Sachverständige Herr D, leitender Arzt für forensische Psychiatrie und Psychotherapie, und Herr E, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und für Neurologie, haben in ihrem Gutachten vom 14.5.2012 zusammenfassend festgestellt, dass bei dem Erblasser bereits vor und auch im Zeitpunkt der Testamentserrichtung eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit in der Form einer Demenzerkrankung, eines Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs und einer organisch bedingten Persönlichkeitsveränderung vorgelegen habe und dass der Erblasser "zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bedingt durch die Störungen der Gedächtnisfunktionen, die Persönlichkeitsveränderungen und die Fremdbeeinflussbarkeit zu einer freien Willensentscheidung nicht mehr in der Lage" gewesen sei (Bl. 96 ff. d.A.).

Der Beteiligte zu 1. hat nachfolgend, nämlich mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 31.8.2012 seinen Erbscheinantrag zurückgenommen.

Mit notariellem Antrag vom 20.9.2012 hat der Beteiligte zu 1. einen Erbschein beantragt, der ihn und die Beteiligten zu 2. als Erben zu je ½ ausweist. Die Beteiligte zu 2. hat erklärt, dagegen keine Einwendungen zu erheben. Das AG hat dementsprechend antragsgemäß einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt.

Mit Beschluss vom 1.3.2013 hat das AG über die Kosten in den beiden Erbscheinverfahren entschieden, nämlich ausgesprochen, dass von der Erhebung von Gerichtskosten in dem durch die Antragsrücknahme erledigten ersten Verfahren abgesehen wird, dass die Gerichtskosten des zweiten Verfahrens von dem Beteiligten zu 1. zu tragen sind und dass die außergerichtlichen Kosten der beiden Beteiligten von ihnen jeweils selbst zu tragen sind. In dem Beschluss ist u.a. ausgeführt, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten habe das Gericht keine Veranlassung gesehen, von der grundsätzlichen Kostenfolge abzusehen. Wenn ein Fall des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG vorgelegen hätte, nämlich wenn der erste Antrag des Beteiligten zu 1. von vornherein keine Aussicht...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge