Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Beweiswürdigung bei einem Auffahrunfall
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 13.03.2024; Aktenzeichen 17 O 228/22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 13.03.2024, Az. 17 O 228/22, teilweise geändert und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, über den bereits ausgeurteilten Betrag hinaus weitere EUR 7.051,16 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 17.12.2022 an den Kläger zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung wegen des weitergehenden Zinsanspruchs zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger begehrt von den Beklagten restlichen Schadensersatz in Höhe von 7.51,16 EUR aufgrund eines Verkehrsunfalles, der sich am 27.04.2022 gegen 11:30 Uhr ereignete. Dem Kläger ist ein Gesamtschaden in Höhe von 14.273,34 EUR (Reparaturkosten, Mietwagenkosten, Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten sowie Wertminderung) entstanden. Hiervon erstattete die Beklagte zu 1) - ausgehend von einer 50 % Haftungsquote - vorgerichtlich bereits einen Betrag in Höhe von 6.706,18 EUR. Weitere 430,49 EUR nebst Zinsen wurden dem Kläger mit dem angefochtenen Urteil zugesprochen.
Die Klage vom 8.11.2022 ist der Beklagten zu 1) am 16.12.2022 zugestellt worden (Bl. 22 eA).
Der Kläger hat behauptet, er habe mindestens eine Minute lang hinter dem Beklagtenfahrzeug (Mercedes-Benz Sprinter) gestanden, als letzteres plötzlich und unerwartet rückwärts und ungebremst in das klägerische Fahrzeug gefahren sei. Die Beklagten haben hingegen behauptet, der Beklagte zu 2) habe wegen einer Katze unerwartet bremsen müssen und das klägerische Fahrzeug sei entweder aufgrund überhöhter Geschwindigkeit oder Unachtsamkeit auf das Beklagtenfahrzeug aufgefahren.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugin und Gutachten Dipl. Ing. vom 20.12.2013) mit dem angefochtenen Urteil der Klage nur im Umfang von 430,49 EUR nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Haftung der Beklagten sei nur im Umfang einer Quote von 50 % gerechtfertigt. Ausgehend von dem unstreitigen Gesamtschaden i.H.v. 14.273,34 EUR errechne sich bei einer 50 %-Haftung ein Betrag in Höhe von 7.136,67 EUR, der bereits durch die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten zu 1) in Höhe von 6.706,18 EUR überwiegend erloschen sei. Es verbleibe ein restlicher Anspruch in Höhe von 430,49 EUR. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe keine der Parteien ihre jeweilige Version des Unfallhergangs beweisen können. Dies gehe zu Lasten des beweispflichtigen Klägers. Die Bekundungen der Zeugin hätten nicht überzeugt. Ausgehend von der sog. Nullhypothese seien bei der Zeugin keine ausreichenden Realkennzeichen erkennbar gewesen, außerdem habe es am Detailreichtum der Aussage gefehlt. Die Zeugenaussage sei im Übrigen auch durch das eingeholte Sachverständigengutachten erschüttert worden. Der Sachverständige sei nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass basierend auf den Höhenmessungen eines Vergleichsfahrzeuges und der Zuordnung der Fahrzeugschäden nur eine geringere Wahrscheinlichkeit für die Unfallversion des Klägers bestehe. Auch bei einem aktiven City-Notbremssystem könnte - so der Sachverständige - der Unfall so zustande gekommen sein kann, wie der Beklagte zu 2) dies geschildert habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei deshalb - so das Landgericht - von einem unaufklärbaren Unfallhergang auszugehen. Die Abwägung der beiderseitigen Betriebsgefahren führe zu einer Haftungsquote von jeweils zu 50 %.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er rügt insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts. Seine Ehefrau habe als Zeugin schlüssig und nachvollziehbar bekundet, dass der Beklagte plötzlich und in raschem Tempo unter aufleuchtenden Rückscheinwerfern rückwärts in das haltende klägerische Fahrzeug hingefahren sei. Dies habe die Zeugin bereits am Unfallort gegenüber dem eingesetzten Polizeibeamten wie folgt erklärt: "Wir hielten hinter einem Wagen (weißer Sprinter). Plötzlich sehe ich seine Rücklichter aufleuchten. Der fährt ja rückwärts, rief ich. Da krachte der Wagen schon in unseren Wagen rein." Es sei nicht nachvollziehbar und höchst abwegig, der klaren Aussage der Zeugin eine fehlende Glaubhaftigkeit aufgrund angeblich mangelnder Detailgenauigkeit zu unterstellen. Bei der Zeugin handele es sich um die 82-jährige, gebildete, ehrbare und unbestrafte Ehefrau des Klägers, die in gutbürgerlichen Verhältnissen lebe. Das Sachverständigengutachten sei nicht verwertbar, weil der Gutachter ungefragt ein neues Ersatzfahrzeug seiner Bewertung zugrunde gelegt habe. Die Zeugenaussage werde auch nicht durch das Sachverständigengutachten erschüttert. Der Sachverständige konnte den Unfallhergang aus technischer Sicht nicht ausreichend rekonstruieren. Aufgrund unzuverlässiger Messungen (= ca. 1,5 c...