Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 19.03.1999; Aktenzeichen 6 O 434/97) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19. März 1999 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Leiter des „Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin” (BIPS) und erstellte im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein eine „Retrospektive Inzidenzstudie Elbmarsch”. Die Studie befasst sich mit den Ursachen und der Häufigkeit von Leukämieerkrankungen im Umkreis des Kernkraftwerkes Krümmel (KKK). In Bezug auf die dem Umweltausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages im Dezember 1996 vorgelegte Fassung des Gutachtens veröffentlichte die Beklagte, die F.D.P.-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, am 11. Juli 1997 die fünfseitige Presseinformation Nr. 159/97. Darin heißt es u.a. wörtlich:
1.):
„Die Auswertung der Ergebnisse durch Prof. G. wird von Prof. Ga. massiv und substantiiert kritisiert (…). Keine Diskussion der Tatsache, dass die Studie belegt, dass im Umkreis des KKK Leukämieerkrankungen seltener unentdeckt bleiben.”
2.):
„Das Studiendesign der Fallkontrollstudie ist unzureichend. Es berücksichtigt ausschließlich Umwelteinwirkungen: Ionisierende Strahlung, elektromagnetische Wellen, Chemikalien.”
3.):
„Offensichtlich besteht beim grünen Koalitionspartner ein lebhaftes Interesse am Erhalt dieser Abteilung des Instituts, denn bei wem sonst lassen sich Studien in Auftrag geben, deren Ergebnisse schon vor Vertragsunterzeichnung bekannt sind. Zuverlässig ermittelt Prof. G., dass eine vermutete Umweltbelastung negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, immer aber mit einem wissenschaftlichen Hintertürchen, das zu weiteren Untersuchungen einlädt.”
4.):
„Zu kritisieren sind die Politiker, die solches Gebaren mit der Vergabe weiterer Gutachten belohnen. Hier spielen Politik und Wissenschaft mit gezinkten Karten. Die Glaubwürdigkeit der Politiker, die sich Wissenschaftler mit dem Geld der Steuerzahler kaufen, und der Wissenschaft, die sich kaufen lässt, geht zu Bruch.”
Der Kläger hat mit der Klage die Unterlassung der vorstehenden Äußerungen mit der Begründung verlangt, sämtliche Äußerungen stellten unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. unzulässige Schmähkritik dar. Es handele sich sämtlich um Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheitsgehalt objektiv nachprüfbar sei. Sämtliche Behauptungen seien unrichtig.
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, ist die Klage bezüglich der vorstehenden Äußerungen zu 1) bis 3) abgewiesen worden. Die Unterlassungsklage des Klägers hatte nur bezüglich der Äußerung zu 4) Erfolg.
Die Berufung richtet sich gegen die Klageabweisung. Der Kläger verfolgt im zweiten Rechtszug sein Begehren auf Unterlassung der Äußerung zu 1) bis 3) weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch verneint.
Form und Inhalt der von dem Verfügungskläger beanstandeten Passagen in der Presseinformation der Verfügungsbeklagten fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Gerade politische Parteien können ihre Meinung in der ihnen geeignet erscheinenden Form ebenso frei und ungehindert äußern wie jeder andere Bürger (vgl. BVerfG NJW 1960, 99; NJW 1982, 2655). Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung findet zwar nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken u.a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht persönlicher Ehre. Das Ausmaß der Schranken und des Schutzes hängt allerdings nach ständiger Rechtsprechung von dem Zweck der Meinungsäußerung ab (vgl. BVerfG NJW 1976, 1680, 1684; NJW 1982, 2655; NJW 1991, 95, 96). Beiträge zur Auseinandersetzung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage genießen stärkeren Schutz als Äußerungen, die lediglich der Verfolgung privater Interessen dienen (vgl. BVerfG NJW 1984, 1741). Für die ersteren spricht eine Vermutung der freien Rede (vgl. BVerfG NJW 1958, 257). Insbesondere muss in der öffentlichen Auseinandersetzung sogar Kritik hingenommen werden, die in überspitzter oder polemischer Form geäußert wird. Anderenfalls besteht die Gefahr einer Verengung und Lähmung des politischen Meinungsbildungsprozesses.
Um eine solche im Rahmen des Art. 5 Abs. 1, 2 GG zulässige Kritik handelt es sich bei den vom Kläger inkriminierten Äußerungen, die Gegenstand seiner Berufung sind.
Die Presseinformation der Beklagten widmet sich einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse. Die Notwendigkeit sowie der Sinn und Zweck der durch das Ministerium in Auftrag gegebenen Langzeitstudie (sog. Fallkontrollstudie) beherrschten im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pressemitteilung nicht nur die politische Diskussion zwischen den Parteien im Landtag, diese Diskussion war auch Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung in den verschi...