Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferung eines durch ein Chiffrierkürzel benannten 3-Türers statt des vom Käufer gewünschten 5-Türers
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt es infolge der Verwendung eines vom Verkäufer eingeführten und nicht nachweisbar erläuterten Chiffrierkürzels in der Bestellung eines Neufahrzeugs zur Auslieferung eines 3-Türers, obgleich der Käufer von der Bestellung eines 5-Türers ausgegangen ist, kommt ein "Scheinkonsens" als Unterfall eines Dissenses (§ 155 BGB) in Betracht.
2. Konnte und musste der Verkäufer nach den gesamten Umständen des Verkaufsgesprächs einschließlich der Verkaufspraxis annehmen, dass der Käufer - wie heute auch zumeist - einen 5-Türer erwerben wollte, ist gleichwohl ein Vertrag über den Erwerb eines 5-Türers zustande gekommen.
Normenkette
BGB §§ 133, 155, 157, 433-434
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 05.08.2015; Aktenzeichen 6 O 5/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5.8.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Itzehoe - 6 O 5/14 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin 21.962,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 0,5 % für den Zeitraum vom 6.10. bis zum 4.12.2013 sowie Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5.12.2013 beträgt.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann die Beklagte die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Neuwagenkaufvertrages sowie die Feststellung des Annahmeverzuges mit der Rücknahme des Fahrzeugs durch die Beklagte.
Die Klägerin nutzte Anfang 2013 einen 13 Jahre alten 5-türigen BMW. Sie interessierte sich für einen Neuwagen und wollte einen VW Golf erwerben. Nachdem sie sich im Internet über Neuwagen informiert hatte, suchte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Zeugen S., am 25.5.2013 erstmalig die Niederlassung der Beklagten in P. auf. Dort wurden die Klägerin und ihr Ehemann von dem Zeugen B. als Verkäufer beraten. Die Klägerin und ihr Ehemann interessierten sich für einen VW Golf in der Ausstattung "Highline". Anlässlich eines weiteren Beratungsgesprächs am 28.5.2013 fand zuvor eine Probefahrt mit einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten VW Golf VII Comfortline mit 5 Türen (4 Seitentüren, 1 Hecktür) statt. Im Anschluss daran unterbreitete der Zeuge B. der Klägerin ein Angebot für den Abschluss eines Neuwagenkaufvertrages.. Verschiedene Ausstattungsmerkmale, wie eine bestimmte Motorstärke, das Automatikgetriebe, Ganzjahresreifen und ein Navigationsgerät waren Gegenstand des Verkaufsgesprächs. Keine Einigkeit zwischen den Parteien besteht darüber, ob und inwieweit ein Ausdruck eines Internetangebots (K2, Bl. 8 d.A.) - welches einen "Golf, 5-türig" in der Ausstattung "Highline" beschrieb - bei den Kaufvertragsverhandlungen eine Rolle gespielt hatte. Jedenfalls erstellte der Zeuge B. am PC ein Angebot und gewährte abschließend einen 8%igen Nachlass auf die Angebotssumme, welcher nach Intervention des Zeugen S. unter Hinweis auf noch günstigere Internetangebote vom Zeugen B. auf 12 % erhöht wurde. Am 30.5.2013 gegen 17.25 Uhr druckte der Zeuge B. das vollständige Angebot mit einem Endpreis von 25.100,-- EUR brutto bei Selbstabholung des Fahrzeugs durch die Klägerin in der Autostadt Wolfsburg aus. Unmittelbar anschließend wurde von der Klägerin eine auf dieser Grundlage erstellte Bestellung (B 6, Bl. 189d. A) unterzeichnet und mittels Auftragsbestätigung der Beklagten (B 1, Bl. 35 d.A.) bestätigt.
Beide Dokumente beschreiben neben Hinweisen auf "Sonderausstattungen", wie Leichtmetallräder, Sportsitze und ein Navigationssystem, das Fahrzeug als "Golf Highline BlueMotion Technologie 1,4 TSI 90 kw (122 PS), 7-Gang Kupplungsgetriebe DSG, 90 KW (122 PS), schwarz, titanschwarz/titanschwarz/schwarz" und mittels der Chiffre "5G14GZ", mit welcher nach den Vorgaben des Herstellers ein lediglich 3-türiger Golf (2 Türen und Hecktür) bezeichnet wird. Das 4- bzw. 5 türige Modell wird als Sonderausstattung geliefert und kostet bei der Beklagten regelmäßig einen Aufpreis von 900 EUR.
Nach umgehender Bezahlung der Rechnung vom 9.9.2013 (B 2, Bl. 37 d.A.) nahm die Klägerin das bereits zugelassene Fahrzeug am 12.9.2013 in Wolfsburg in Empfang. Bei der Auslieferung stellte sie fest, dass das Fahrzeug nur 2 bzw. 3 Türen hatte. Unter Protest nahm sie das Fahrzeug mit. Noch am 12.9.2013 wandten sich die Klägerin bzw. der Zeuge S. an die Beklagte und begehrten die Ersatzlieferung eines 5-Türers, habe die Klägerin doch einen 5-Türer bestellt. Hierüber in der Folgezeit geführte Verhandlungen führten zu keinem Erfolg, so dass die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 25.11.2013 (K8, Bl. 21/22 d.A.) den Rücktritt vom Vertrag Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs bis zum 4.12.2013 erklärt...