Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltshaftung bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einen Abfindungsvergleich kein Verjährungsverzicht für Ansprüche aus künftigen unvorhersehbaren Schäden aufgenommen, hat der Rechtsanwalt seinen Mandanten über den damit möglichen erneuten Lauf einer dreijährigen Verjährungsfrist gem. § 852 BGB a.F. deutlich zu belehren.
2. Von einer „Beendigung des Auftrags” als maßgeblichem Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der Höchstfrist der Verjährung der Anwaltshaftung (§ 51b BRAO) ist auszugehen, wenn aus Sicht des Mandanten nach dem Inhalt des konkreten Auftrags keine weiteren Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu erwarten sind. Dies ist nach dem Abschluss eines – alle vorhandenen und absehbaren Schäden abdeckenden – Abfindungsvergleich regelmäßig der Fall.
Normenkette
BRAO § 51b; BGB §§ 242, 852 a.F.
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 22.02.2002; Aktenzeichen 12 O 167/00) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 22.2.2002 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 3.500 Euro abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 22.330,78 Euro.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch mit dem Vorwurf fehlerhafter anwaltlicher Beratung geltend.
Der Kläger erlitt im November 1988 bei einem Verkehrsunfall Sach- und Personenschäden. Er beauftragte den Beklagten mit der Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche. Nach vorheriger Besprechung mit dem Beklagten unterzeichnete der Kläger unter dem 27.10.1989 eine Abfindungserklärung ggü. dem Haftpflichtversicherer des anderen Unfallbeteiligten. Darin erklärte sich der Kläger gegen Zahlung von 15.000 DM vorbehaltlich unvorhergesehener Folgen für endgültig abgefunden. Hinsichtlich des noch nicht gezahlten letzten Teiles dieses Betrages übersandte die Haftpflichtversicherung dem Beklagten einen Scheck über 8.500 DM. Unter dem 9.11.1989 schrieb der Beklagte an den Kläger:
„Mit anliegendem Scheck gebe ich den an mich gezahlten Betrag von 8.500 DM an sie weiter. Damit ist die Unfallsache bei mir zunächst abgeschlossen.”
Im November 1989 wurde das Mandatsverhältnis auch gebührenmäßig abgerechnet.
Im November 1992 stellte ein Arzt bei dem Kläger eine ausgeprägte gelenkübergreifende Osteomyelitis fest, von der der Kläger behauptet hat, sie sei Spätfolge der durch den Unfall erlittenen Verletzung. 1994 wurde ein Sozialgerichtsverfahren zur Feststellung des Grades der Behinderung für den Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand betrieben. Der Kläger trat zum 1.1.1997 in den vorzeitigen Ruhestand. Im März 1997 wandte er sich erneut an den Beklagten und bat ihn, Nachforderungen gegen den Haftpflichtversicherer geltend zu machen. Eine im Juli 1999 deswegen erhobene Klage vor dem LG Kiel zu dem Aktenzeichen 6 O 237/99 wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 26.11.1999 wegen Verjährung abgewiesen.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn nicht ausreichend im Zusammenhang mit der Abfindungserklärung darauf hingewiesen, dass für die dort genannten unvorhersehbaren Spätfolgen eine dreijährige Verjährungsfrist ab Kenntnis von deren Eintritt gelte. Deswegen müsse nunmehr der Beklagte Schadensersatz leisten. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, da das ursprüngliche Mandat nicht bereits im November 1989 beendet worden sei sondern fortbestanden habe.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 22.330,78 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 20.4.2000 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschl. sämtlicher Bezugnahmen Bezug genommen.
Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf Schadensersatz sei verjährt.
Gegen dieses ihm am 11.3.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5.4.2002 Berufung eingelegt und diese Berufung mit einem am Montag, den 13.5.2002, eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger macht geltend:
Die Verjährungseinrede sei kein taugliches Verteidigungsmittel. Der Beklagte habe dem Kläger mit Schreiben vom 9.11.1989 übermittelt, dass die Angelegenheit „zunächst” abgeschlossen sei. Das habe der Kläger nicht als Mandatsbeendigung verstehen können und müssen. Er habe es so verstehen müssen, dass die Sache vorerst auf Eis gelegt worden sei, der Beklagte aber fortan „Gewehr bei Fuß” darauf warte, wegen der vorbehaltenen Spätschäden erneut für den Kläger tätig zu werden.
Die somit auch über November 1989 hinaus fortgesetzten Mandatsbeziehungen hätten den Beklagten dazu verpflichtet, sich von Zeit zu Zeit einen Eindruck von der gesundheitlichen Befind...