Rz. 308

Eine weitere Begrenzung ist durch das Zweite Justizmodernisierungsgesetz eingefügt worden. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass ein Anwalt, der nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragt worden ist, keine höheren Gebühren erhält als ein Anwalt, der mit dem gesamten Verfahren beauftragt worden wäre. An sich war diese Regelung überflüssig, weil die wohl einhellige Auffassung Abs. 6 bereits in diesem Sinne ausgelegt hat.[232] Die Änderung des Gesetzes dient aber der Klarstellung. Erfasst werden diejenigen Fälle, in denen das Gesetz für bestimmte Einzeltätigkeiten eine höhere Vergütung vorsieht als in der Hauptsache.

 

Beispiel: Der Anwalt wird ausschließlich mit der Erinnerung nach § 766 ZPO gegen eine Maßnahme des Gerichtsvollziehers beauftragt, ohne auch im zugehörigen Zwangsvollstreckungsverfahren beauftragt zu sein (Wert: 3.000 EUR).

Die Erinnerung ist in VV 3500 geregelt und löst eine 0,5-Verfahrensgebühr aus. Die Hauptsache, nämlich das Zwangsvollstreckungsverfahren, ist in VV 3309 geregelt und löst lediglich eine 0,3-Verfahrensgebühr aus. Da die Erinnerung hier (auch nach der früheren Fassung des RVG – keine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers – siehe dazu auch unten II. 2.) mit zum Verfahren zählt (§ 19 Abs. 1 S. 1, arg. e § 18 Nr. a.F.), kann es nicht angehen, dass der Anwalt höhere Gebühren verdient als in der Hauptsache. Es entsteht zwar die Verfahrensgebühr nach VV 3500; diese ist jedoch zu kürzen. Zu rechnen ist wie folgt:

 
1.

0,3-Verfahrensgebühr, VV 3500

(Wert: 3.000 EUR)

(gekürzt nach § 15 Abs. 6 i.V.m. VV 3309)
  66,60 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   13,32 EUR
  Zwischensumme 79,92 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   15,18 EUR
Gesamt   95,10 EUR
 

Rz. 309

Die Begrenzung gilt nicht nur für Verfahrensgebühren, sondern auch für Terminsgebühren.

 

Beispiel: Der Anwalt wird ausschließlich mit der Erinnerung nach § 766 ZPO gegen eine Maßnahme des Gerichtsvollziehers beauftragt, ohne auch im zugehörigen Zwangsvollstreckungsverfahren beauftragt zu sein (Wert: 3.000 EUR). Über die Erinnerung wird vor Gericht mündlich verhandelt.

Auch die Terminsgebühr ist jetzt nach Abs. 6 zu reduzieren.[233] Zu rechnen ist wie folgt:

 
1.

0,3-Verfahrensgebühr, VV 3500

(Wert: 3.000 EUR)

(gekürzt nach § 15 Abs. 6 i.V.m. VV 3309)
  66,60 EUR
2.

0,3-Terminsgebühr, VV 3513

(Wert: 3.000 EUR)

(gekürzt nach § 15 Abs. 6 i.V.m. VV 3310)
  66,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 153,20 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   29,11 EUR
Gesamt   182,31 EUR
 

Rz. 310

Unklar ist hier, ob die Begrenzung nach Abs. 6 auch zum Ausschluss der VV Vorb. 3 Abs. 3, 3. Var. in Zwangsvollstreckungsverfahren führt.

 

Beispiel: Der Anwalt wird ausschließlich mit der Erinnerung nach § 766 ZPO gegen eine Maßnahme des Gerichtsvollziehers beauftragt, ohne auch im zugehörigen Zwangsvollstreckungsverfahren beauftragt zu sein (Wert: 3.000 EUR). Die Anwälte verhandeln außergerichtlich zur Erledigung der Sache.

An sich würde durch die Besprechung eine Terminsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 3, 3. Var. i.V.m. VV 3513 anfallen. Wäre der Anwalt dagegen auch im Vollstreckungsverfahren tätig, so läge nur eine Angelegenheit der Zwangsvollstreckung vor (§ 19 Abs. 2 Nr. 2). Da in der Zwangsvollstreckung eine Terminsgebühr aber nur bei gerichtlichen Terminen anfällt (VV 3310), würde die außergerichtliche Besprechung für diesen Anwalt keine Terminsgebühr auslösen. Nach Abs. 6 dürfte folglich auch im isolierten Erinnerungsverfahren keine Terminsgebühr ausgelöst werden.

 

Rz. 311

Ähnliche Begrenzungsfälle können auftreten, wenn der Anwalt lediglich mit einer Gehörsrüge beauftragt ist. Ist der Anwalt zugleich mit der Hauptsache beauftragt, zählt die Gehörsrüge zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 5). Als isolierte Tätigkeit lässt sie nach VV 3330 eine 0,5-Verfahrensgebühr und gegebenenfalls eine 0,5-Terminsgebühr entstehen. Sofern in der Hauptsache allerdings geringere Gebühren entstehen würden, bleibt es dann bei der geringeren Gebühr, etwa bei einer Gehörsrüge in der Zwangsvollstreckung (VV 3309), bei einer Gehörsrüge im Verfahren nach § 655 ZPO (VV 3331) o.Ä.

 

Rz. 312

Insbesondere die 0,8-Auffanggebühr für nicht gesondert geregelte Einzeltätigkeiten (VV 3403) kann nach Abs. 6 zu kürzen sein.

 

Beispiel: Der Anwalt wird in einem Beschwerdeverfahren lediglich mit der Wahrnehmung einer Einzeltätigkeit beauftragt.

Eine Einzeltätigkeit ist nach VV 3403 zu vergüten ist und löst eine 0,8-Verfahrensgebühr aus. Eine Einzeltätigkeit kann nach Abs. 6 jedoch keine höhere Vergütung auslösen als ein Gesamtvertretungsauftrag. Für die Gesamtvertretung im Beschwerdeverfahren wäre aber nur eine 0,5-Verfahrensgebühr nach VV 3500 angefallen (siehe VV 3500 Rdn 33 ff.). Es verbleibt daher auch für den mit der Einzeltätigkeit beauftragten Anwalt nur bei einer 0,5-Verfahrensgebühr:

 
1.

0,5-Verfahrensgebühr, VV 3403

(Wert: 3.000 EUR)

(gekürzt nach § 15 Abs. 6 i.V.m. VV 3500)
  111,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 131,...

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