Lotte Thiel, Dr. iur. Thomas Eder
Rz. 31
Unklar ist die gesetzliche Regelung, wenn sich die Eheleute in der Ehesache aussöhnen und dabei gleichzeitig eine Einigung über weitere Gegenstände treffen.
Rz. 32
Beispiel: Im Scheidungsverfahren (Werte: Ehesache 6.000 EUR; Versorgungsausgleich 1.000 EUR) söhnen sich die Eheleute im Termin aus und vergleichen sich nach Verhandlung dahingehend, dass ab sofort Gütertrennung vereinbart und auf einen bisher angefallenen Zugewinnausgleich wechselseitig verzichtet werde. Das Gericht setzt den Wert des Vergleichs auf 8.000 EUR fest.
Rz. 33
Umstritten ist bereits die Abrechnung. Nach OLG Frankfurt soll nur eine Aussöhnungsgebühr anfallen. Ihr Gegenstandswert soll allerdings den der Ehesache übersteigen, wenn – wie hier – neben der Aussöhnung noch weitere Verpflichtungen übernommen werden. Danach wäre eine Aussöhnungsgebühr aus 14.000 EUR anzusetzen, dafür aber keine Einigungsgebühr. Für eine solche Abrechnung gibt das Gesetz jedoch keine Grundlage. Im Gegenteil folgt aus Anm. Abs. 5 zu VV 1000 eindeutig, dass für einen Vertrag über Folgesachen oder andere Gegenstände "im Hinblick auf die Ehesache" eine Einigungsgebühr anfällt. Nach zutreffender Ansicht sind daher für Aussöhnung und eine begleitende Einigung gesonderte Gebühren abzurechnen.
Im Beispiel erhält der Anwalt also zunächst für die Aussöhnung eine Aussöhnungsgebühr nach VV 1001 aus dem Wert der Ehesache. Da die Ehesache anhängig war, beläuft sich die Gebühr gemäß VV 1003 auf 1,0.
Für die Vereinbarung der Gütertrennung sowie den Verzicht auf wechselseitige Zugewinnausgleichsansprüche erhält der Anwalt weiterhin eine Einigungsgebühr nach VV 1000 aus dem festgesetzten Wert von 8.000 EUR. Die Höhe beläuft sich auf 1,5, da eine güterrechtliche Folgesache nicht anhängig war.
Im Anschluss stellt sich nunmehr die Frage, ob beide Gebühren gemäß § 15 Abs. 3 auf eine 1,5-Gebühr aus dem Gesamtwert zu kürzen sind. Dies würde folgende Berechnung ergeben:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 15.000 EUR) |
|
933,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 15.000 EUR) |
|
861,60 EUR |
3. |
1,0-Aussöhnungsgebühr, VV 1001, 1003 (Wert: 6.000 EUR) |
390,00 EUR |
|
4. |
1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 (Wert: 8.000 EUR) |
753,00 EUR |
|
|
gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als 1,5 aus 14.000 EUR |
|
1.077,00 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
2.892,00 EUR |
|
6. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
549,48 EUR |
Gesamt |
|
3.441,48 EUR |
Rz. 34
Gegen eine Anwendung des § 15 Abs. 3 spricht jedoch, dass es hier nicht um Teilgebühren desselben Gebührentatbestands geht. Hier sind nicht zwei verschiedene Einigungsgebühren angefallen, sondern eine Einigungs- und eine Aussöhnungsgebühr. Andererseits spricht § 15 Abs. 3 nicht ausdrücklich davon, dass es sich um denselben Gebührentatbestand handeln muss, was aber wohl gemeint ist. Bei weiterer Auslegung ließe der Wortlaut, der ja nur davon spricht, dass "für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden" sind, eine solche extensive Auslegung zu. Für eine großzügige Auslegung könnte zudem sprechen, dass die Aussöhnungsgebühr faktisch eine Einigungsgebühr darstellt, wie sich aus der Anm. Abs. 5 S. 1 zu VV 1000 ergibt; die Eheleute einigen sich darüber, die Ehe fortzusetzen; eine Einigungsgebühr kann insoweit lediglich wegen Anm. Abs. 5 S. 1 zu VV 1000 nicht entstehen. Andererseits ist eine Aussöhnung durchaus etwas anderes als eine Einigung, zumal eine Einigung einen Vertrag voraussetzt (Anm. Abs. 1 zu VV 1000), der bei der Aussöhnung gerade nicht erforderlich ist.
Rz. 35
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber dieses Problem gänzlich unbekannt war, sodass daraus, dass eine dem § 15 Abs. 3 vergleichbare Begrenzung hier nicht geregelt ist, folgt, dass eine Kürzung auch nicht vorzunehmen sein soll. Abzurechnen ist im Beispiel Rdn 32 daher wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 15.000 EUR) |
|
933,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 15.000 EUR) |
|
861,60 EUR |
3. |
1,0-Aussöhnungsgebühr, VV 1001, 1003 (Wert: 6.000 EUR) |
|
390,00 EUR |
4. |
1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 (Wert: 8.000 EUR) |
|
753,00 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
2.958,00 EUR |
|
6. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
562,02 EUR |
Gesamt |
|
3.520,02 EUR |
Rz. 36
Gegen die Auffassung, es sei nach § 15 Abs. 3 zu kürzen, spricht auch die Abwandlung des Beispiels (siehe Rdn 32):
Beispiel: Im Scheidungsverfahren (Werte: Ehesache 6.000 EUR; Versorgungsausgleich 1.000 EUR) hatte die Ehefrau auch Zugewinnausgleichsansprüche in Höhe von 8.000 EUR geltend gemacht. Im Termin söhnen sich die Eheleute aus und einigen sich nach Verhandlung dahingehend, dass ab sofort Gütertrennung vereinbart wird und die Ehefrau für den Fall einer späteren Scheidung für den bisherigen Zugewinn 8.000 EUR erhalten solle.
Rz. 37
Auch hier entsteht sowohl die Aussöhnungsgebühr als auch die Einigungsgebühr zu 1,0 (VV 1003), da sowohl die Ehesache als auch der verglichene Zugewinn anhängig sind. Jetzt kommt aber nach dem eindeutigen Wortl...