Rz. 78
In Nr. 2 ist die Rede von einer "Einigung", ohne dass dort dieser Begriff definiert wird. Die Begründung zum Entwurf des RVG gibt zur Auslegung nicht viel her. Zwar ist davon die Rede, dass die Gebühr mit einem Gebührensatz von 0,8 auch bei einer gerichtlichen Protokollierung eines Vergleichs anfallen solle. Allerdings wird dort der Begriff der Einigung gleichzeitig auch im Sinne eines Vergleichs benutzt, was schon im Widerspruch zu VV 1000 steht, da VV 1000 ein gegenseitiges Nachgeben ausdrücklich nicht verlangt. Schon im Rahmen von § 32 BRAGO war es allgemeine Auffassung, dass der Begriff der Einigung weiter ist als der Begriff des Vergleichs. Eine Einigung stellt gegenüber einem Vergleich geringere Anforderungen, da kein gegenseitiges Nachgeben erforderlich ist, bezieht den Vergleich also mit ein.
Rz. 79
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Begriff der Einigung in Nr. 2 inhaltlich identisch ist mit dem Begriff der Einigung in VV 1000. Nach der Regelung in VV 1000 ist dort Voraussetzung für eine Einigung bzw. für das Entstehen der Einigungsgebühr,
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dass ein Vertrag geschlossen wird, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, |
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dass dieser Vertrag sich nicht nur ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt. |
Rz. 80
Verlangt wurde schon nach § 32 Abs. 2 BRAGO nicht, dass über einen Anspruch ein Vertrag geschlossen wurde, der zuvor streitig war. Es ist auch der Begründung zum RVG nicht zu entnehmen, dass man in Nr. 2 eine in diesem Punkt gegenüber § 32 BRAGO einschränkende Regelung treffen wollte. Schließlich hätte sonst nichts näher gelegen als in VV 3101 Nr. 2 auf den Begriff der Einigung in VV 1000 zu verweisen. Damit ist davon auszugehen, dass der Begriff der Einigung in Nr. 2 alle Einigungen umfasst, also nicht nur solche, die unter VV 1000 fallen. Erfasst wird von Nr. 2 damit jede Vereinbarung
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über Ansprüche, die nicht in diesem Verfahren rechtshängig sind, |
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auch wenn über diese Ansprüche zuvor kein Streit bestand, |
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auch wenn die Vereinbarung in einem Anerkenntnis oder Verzicht besteht, |
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über Rechtsverhältnisse, auch wenn über diese keine Ungewissheit bestand. |
Beispiel: In einem Kündigungsschutzprozess wird vor dem Arbeitsgericht ein Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers geschlossen. Gegenstand des Rechtsstreits war nur die Kündigung. In dem Vergleich werden zusätzlich Vereinbarungen über die Zeugniserteilung, die Aufhebung eines Wettbewerbsverbots sowie die Provisionszahlung aufgenommen. Über diese Punkte hatte kein Streit zwischen den Parteien bestanden. Für die Regelung dieser zusätzlichen Punkte fällt eine Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8 nach Nr. 2 an.
Rz. 81
Die Annahme einer Einigung setzt jedoch zumindest voraus, dass über die bloß deklaratorische Feststellung bestehender tatsächlicher Verhältnisse hinaus eine verwertbare Regelung getroffen worden ist. Sofern aber lediglich die tatsächlichen Verhältnisse festgestellt werden, stellt dies keine Einigung i.S.d. Nr. 2 dar. Die reduzierte Verfahrensgebühr nach VV 3101 Nr. 2 setzt – anders als die Einigungsgebühr nach VV 1000 – nicht voraus, dass die betreffende Einigung zustande kommt bzw. dauerhaft Bestand hat. Sie bleibt dem Anwalt vielmehr auch dann erhalten, wenn die Einigung z.B. widerrufen wird oder aus sonstigen Gründen später entfällt.
Rz. 82
Die Einigung muss stattfinden entweder
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zwischen den Prozessparteien oder |
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zwischen einer Prozesspartei und einem Dritten oder |
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zwischen beiden Prozessparteien und einem oder mehreren Dritten. |
Mit der Erstreckung auf Dritte sollen auch Einigungen mit Personen einbezogen werden, die am Prozess zwar beteiligt, jedoch nicht Prozesspartei sind, wie z.B. Streithelfer.
Rz. 83
Soweit die Einigung zwischen den Parteien einen echten Vertrag zugunsten Dritter enthält, fällt hierfür ebenfalls unter den sonstigen Voraussetzungen der Nr. 2 eine reduzierte 0,8-Verfahrensgebühr an. Zwar ist dies in Nr. 2 nicht ausdrücklich erwähnt. Da jedoch der Dritte aus einer solchen Einigung einen eigenen Anspruch erwirbt und eine solche Verfahrensweise in der Regel nur gewählt wird, um ein weiteres Verfahren mit diesem Dritten zu vermeiden, ist die Interessenlage die Gleiche wie bei einer Beteiligung dieses Dritten am Rechtsstreit.