a) Vorläufig vollstreckbarer Titel

 

Rz. 508

Erforderlich für die Einigungsgebühr ist, dass durch den Vergleich der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden soll. Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist und die Parteien unterschiedliche Auffassungen zum Bestehen des materiell-rechtlichen Anspruchs haben, ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die Parteien sich hinsichtlich des streitigen Anspruchs letztlich einigen.

b) Rechtskräftiger Titel

 

Rz. 509

Aber auch bei einem rechtskräftigen Urteil kann es Ungewissheit geben, z.B. hinsichtlich der Auslegung oder darüber, ob der Beklagte hinsichtlich der Erfüllung des titulierten Anspruchs ausreichend wirtschaftlich leistungsfähig ist bzw. eine Zwangsvollstreckung von daher genügend sicher erscheint.[512] Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.[513] VV 1000 nimmt anders als früher § 23 BRAGO nicht auf § 779 BGB und damit auch nicht auf dessen Abs. 2 Bezug, wonach es der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis gleichsteht. Damit sollte der im Rahmen der BRAGO heftig geführte Streit darüber vermieden werden, welche Abrede noch ein gegenseitiges Nachgeben darstellt und welche nicht.[514] Die Änderung sollte den Anwendungsbereich der VV 1000 gegenüber § 23 BRAGO erweitern, nicht aber ihn verringern.[515]

 

Rz. 510

Die Einigungsgebühr soll daher jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und so die frühere Vergleichsgebühr nicht nur ersetzen, sondern gleichzeitig inhaltlich erweitern.[516] Grund für die zusätzliche Gebühr ist die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts sowie die Minderung der Belastung der Gerichte. Die Einigungsgebühr setzt andererseits nicht voraus, dass durch die Einigung tatsächlich auch eine konkrete Entlastung der Gerichte eintritt.[517]

[512] OLG Zweibrücken JurBüro 1999, 80; OLG Stuttgart JurBüro 1994, 739; zweifelnd Kessel, DGVZ 1994, 179.
[513] BGH 17.9.2008 – IV ZB 11/08; BGH 17.9.2008 – IV ZB 14/08, FamRZ 2009, 43; so auch schon BGH 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, AGS 2005, 140 = Rpfleger 2005, 330 zur BRAGO; LG Duisburg AGS 2013, 577 = RVGreport 2013, 431; Mock, AGS 2006, 217; Seip, DGVZ 2006, 105, 107; anders Hansens, RVGreport 2004, 115.
[515] Begründung des Gesetzgebers, BT-Drucks 15/1971, S. 204 und 215 rechte Spalte; BGH 17.9.2008 – IV ZB 14/08, FamRZ 2009, 43.
[516] BGH 17.9.2008 – IV ZB 14/08, FamRZ 2009, 43.
[517] BGH 17.9.2008 – IV ZB 11/08.

c) Keine Beschränkung auf Anerkenntnis/Verzicht

 

Rz. 511

Andererseits darf sich der Vertrag nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht auf einer Parteiseite beschränken, weil ansonsten schon durch die bloße Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder den Verzicht auf dessen Weiterverfolgung die Einigungsgebühr ausgelöst würde.[518] Eine Einigungsgebühr fällt daher selbst bei Ratenzahlungsvereinbarungen über unstreitige Forderungen an, weil der Schuldner, der lediglich eine Ratenzahlung anstrebt, dem Gläubiger mit einem gerichtlichen Vergleich ohne Verzug einen sicheren Vollstreckungstitel verschafft, statt den Erlass eines rechtskräftigen Urteils durch Ausschöpfung prozessualer Mittel wenigstens zeitweise zu verzögern.[519]

[518] Vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 204 zu VV 1000.

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