Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 4
Anm. Nr. 1 beschäftigt sich zum einen mit der häufig vorkommenden Situation, dass die Angelegenheit, wegen derer der Rechtsanwalt beauftragt worden ist, erledigt ist, noch bevor der Rechtsanwalt eine weitergehende Tätigkeit entfalten konnte. Zum anderen betrifft Anm. Nr. 1 auch die Fälle, in denen dem Rechtsanwalt durch den Auftraggeber das Mandat entzogen wird bzw. dieser das Mandat von sich aus niederlegt, so dass sich die Angelegenheit aus diesem Grund für den Rechtsanwalt erledigt hat. Derartigen Situationen ist dabei gemeinsam, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts ein bestimmtes Stadium noch nicht erreicht hat. In einer derartigen Situation soll der Rechtsanwalt nicht die in den VV 3324 bis 3327, 3334 und 3335 vorgesehenen Verfahrensgebühren von 0,75 bzw. 1,0 erhalten, sondern vielmehr nur eine Verfahrensgebühr mit einem Satz von höchstens 0,5.
Rz. 5
Das Gesetz macht die Entscheidung, in welcher Höhe dem Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr zustehen soll, von folgenden Tätigkeiten des Rechtsanwalts abhängig:
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Einreichung eines das Verfahren einleitenden Antrags, |
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Einreichung eines Schriftsatzes, der Sachanträge, Sachvortrag oder die Zurücknahme des Sachantrags enthält, |
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Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins. |
Rz. 6
Endet der Auftrag, bevor der Rechtsanwalt den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, so erhält er nach Anm. Nr. 1 nur eine Verfahrensgebühr von höchstens 0,5. Insoweit handelt es sich auch um eine Ausnahmevorschrift zu § 15 Abs. 4. Nach dieser Vorschrift soll es – soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt – grundsätzlich ohne Einfluss sein, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endet, bevor die Angelegenheit erledigt ist. Durch die Regelung in Anm. Nr. 1 wird von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht, die motiviert ist durch die Überlegung, dass das Nichterreichen eines bestimmten Tätigkeitsstadiums zum Zeitpunkt der Beendigung des Mandats Indiz für eine nur untergeordnete Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten ist. Dass diese Überlegung häufig nicht zutrifft, ist allgemein bekannt. Gerade in den Fällen, in denen die Anfertigung einer Antragserwiderung viel Zeit in Anspruch nimmt, erscheint es unbillig, die Verfahrensgebühr auf 0,5 herabzusetzen, wenn der Antrag noch vor Einreichung der Antragserwiderung zurückgenommen worden ist. Die Unbilligkeit tritt noch deutlicher hervor, wenn man bedenkt, dass die Herabsetzung der Gebühr schon dadurch vermieden werden kann, dass dem Gericht der Antragsabweisungsantrag mit dem Bemerken übermittelt wird, dass eine Begründung des Antragsabweisungsantrages vorbehalten bleibe. Solange Anm. Nr. 1 allerdings diesen Wortlaut hat, wird man sich mit der misslichen Gebührenreduzierung abfinden müssen – oder in der zuletzt genannten Weise verfahren.