Rz. 81
Neben dem Prozessbevollmächtigten kann auf Antrag der Partei nach § 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG unter besonderen Umständen ein Anwalt zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden. Unter welchen besonderen Voraussetzungen ein Verkehrsanwalt beizuordnen ist, führt der BGH in seiner Grundsatzentscheidung ausführlich aus. Insbesondere sind dabei auch die Grundsätze zu beachten, die für die Kostenerstattung nach § 91 ZPO gelten.
Rz. 82
Voraussetzung ist nach § 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG, dass besondere Umstände dies erfordern. Denn, wenn der Partei – wie es dem Regelfall des § 121 Abs. 1 und 3 ZPO, § 78 Abs. 1 und 3 FamFG entspricht – ein Rechtsanwalt am Ort des Prozessgerichts beigeordnet wurde, kann es in nur besonders gelagerten Einzelfällen erforderlich sein, ihr einen zusätzlichen Rechtsanwalt zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Hauptbevollmächtigten beizuordnen.
Rz. 83
Kein Bedarf besteht, wenn ein nicht am Ort des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigter ohne Einschränkung beigeordnet worden ist. Dann ist dieser auswärtige Rechtsanwalt berechtigt, zu den Terminen anzureisen und seine Reisekosten abzurechnen, so dass kein Bedarf für einen zweiten Anwalt besteht.
Rz. 84
Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG wegen besonderer Umstände erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Partei abzustellen. Solche besonderen Umstände können etwa dann vorliegen, wenn die Partei schreibungewandt ist und ihr auch eine Informationsreise zu ihrem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts nicht zugemutet werden kann. Gleiches ist der Fall, wenn der Partei eine schriftliche Information wegen des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Sache nicht zuzumuten ist und eine mündliche Information unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde.
Rz. 85
Nach der Auffassung des BGH ist ferner im Rahmen der verfassungsgemäßen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Umstände eine zusätzliche Beiordnung nach § 121 Abs. 4 ZPO, § 78 Abs. 4 FamFG auch dann geboten, wenn die Kosten des weiter beizuordnenden Rechtsanwalts die sonst entstehenden Reisekosten des nicht am Prozessgericht zugelassenen Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen. Im Rahmen der durch Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip gebotenen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes ist bei der Auslegung auch die neuere Rechtsprechung des BGH zur Erstattung der Kosten für Verkehrsanwälte zu beachten. Danach ist im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts am Sitz des Gerichts auch die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Verkehrsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. ZPO anzusehen.
Rz. 86
Solche besonderen Umstände, die die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwalts begründen können, sind insbesondere in Familiensachen gegeben, in denen schriftliche und fernmündliche Unterrichtungen des Anwalts in aller Regel nicht ausreichend sind. So ist auch die zitierte Entscheidung des BGH zu einer Verbund-Familiensache ergangen.
Rz. 87
In der Praxis wird allerdings in aller Regel von der Beauftragung des am Sitz der Partei ansässigen Anwalts als Verkehrsanwalts abgesehen und stattdessen die uneingeschränkte Beiordnung des am Sitz der Partei ansässigen auswärtigen Anwalts als Prozessbevollmächtigter beantragt. Soweit nämlich ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt besteht, sind die Reisekosten des auswärtigen Anwalts aus der Staatskasse zu übernehmen, soweit dadurch die zusätzlichen Kosten des Verkehrsanwalts erspart werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die zitierte Entscheidung des BGH ergangen. Dieser Grundsatzentscheidung ist die ganz überwiegende Instanz-Rechtsprechung zwischenzeitlich auch gefolgt.