Gesetzestext

 
 
Nr. Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 oder § 49 RVG
Wahlanwalt gerichtlich bestellter oder beigeordneter Rechtsanwalt
4302

Verfahrensgebühr für

1. die Einlegung eines Rechtsmittels,
2. die Anfertigung oder Unterzeichnung anderer Anträge, Gesuche oder Erklärungen oder
3. eine andere nicht in Nummer 4300 oder 4301 erwähnte Beistandsleistung……
33,00 bis 319,00 EUR 141,00 EUR

A. Allgemeines

I. Sachlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 1

Die Gebührentatbestände der VV 4302 regeln die Vergütung für

die Einlegung eines Rechtsmittels (Nr. 1),
die Anfertigung oder Unterzeichnung anderer Anträge, Gesuche oder Erklärungen (Nr. 2) oder
eine andere nicht in VV 4300 oder 4301 erwähnte Beistandsleistung (Nr. 3).

II. Gebührenhöhe

 

Rz. 2

Nach VV 4302 erhält der Anwalt eine Gebühr i.H.v. 33 EUR bis 319 EUR. Die Mittelgebühr beträgt 176 EUR. Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt erhält eine Festgebühr i.H.v. 141 EUR. Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, so erhöht sich der Gebührenrahmen bzw. die Festgebühr um 30 % je weiteren Auftraggeber (VV 1008).

B. Regelungsgehalt

I. Einlegung eines Rechtsmittels (Nr. 1)

 

Rz. 3

Nach Nr. 1 erhält der Anwalt die Gebühr nach VV 4302 für die Einlegung eines Rechtsmittels. Unter Einlegung eines Rechtsmittels ist die bloße Erklärung, dass das Rechtsmittel eingelegt werde, zu verstehen. Die Gebühr entsteht also auch dann, wenn keine Begründung eingereicht und auch kein konkreter Rechtsmittelantrag gestellt wird. Wird eine Berufung oder Revision gleichzeitig auch begründet, ist Nr. 1 nicht einschlägig. Nach Anm. zu VV 4300, Anm. zu VV 4301 zählen Einlegung und Begründung als eine einzige Gebührenangelegenheit. Maßgebend hierfür ist der Gebührenrahmen nach VV 4300 Nr. 1 oder VV 4301 Nr. 2.

 

Rz. 4

Der Begriff des Rechtsmittels i.S.d. Nr. 1 ist nicht streng formal zu verstehen. Hierzu zählen also nicht nur die formellen Rechtsmittel wie Berufung und Revision, sondern auch:

der Einspruch gegen einen Strafbefehl,[1]
Wird der Anwalt dagegen nach § 408b StPO bestellt, erhält er die vollen Gebührenansprüche eines Verteidigers und nicht nur eine Einzeltätigkeitsgebühr nach VV 4102.[2]
die Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 268a StPO,[3]
die Beschwerde gegen einen Ordnungsmittelbeschluss,[4]
die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 StPO,[5]
die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO,[6]
die Beschwerde gegen die Ablehnung der Strafverfolgung,
die sofortige Beschwerde nach § 383 Abs. 2 S. 3 StPO gegen die Einstellung des Privatklageverfahrens,[7]
die sofortige Beschwerde gegen nachträgliche Gesamtstrafenbildung,[8]
sonstige Beschwerdeverfahren.[9]
 

Rz. 5

Wird der Anwalt nicht nur mit der Erhebung der Beschwerde, sondern auch gleichzeitig mit deren Begründung beauftragt, so liegen zwei Angelegenheiten vor. Die Begründung der Beschwerde wird im Gegensatz zur Berufungs- oder Revisionsbegründung nicht nach VV 4300 oder VV 4301 abgegolten. Erhält der Anwalt zunächst nur den Auftrag, Beschwerde einzulegen, und erhält er später den weiteren Auftrag zur Begründung der Beschwerde, so erhält er neben der Gebühr nach Nr. 1 auch die der Nr. 2. Insgesamt erhält er jedoch nicht mehr als eine Gebühr aus VV 4302 (vgl. § 15 Abs. 6). Anderer Ansicht ist Madert,[10] der insgesamt nur eine Angelegenheit annimmt und die Mehrarbeit nach § 14 Abs. 1 vergüten will, was – abgesehen von der zusätzlichen Postentgeltpauschale nach VV 7002 – im Ergebnis auf das Gleiche hinauslaufen dürfte.

 

Rz. 6

Bei der Gebühr nach Nr. 1 ist § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 zu beachten. Die Gebühr ist daher nicht nur für den Rechtsmittelanwalt ausgeschlossen, sondern auch für den vorinstanzlich tätigen Anwalt, für den die Einlegung des Rechtsmittels noch zur Gebühreninstanz zählt.

[1] Hansens, BRAGO, § 91 Rn 7; Madert, AnwBl 1982, 176, 177.
[2] OLG Oldenburg AGS 2010, 491 = RVGreport 2011, 24 = NJW-Spezial 2010, 668; AG Oberhausen JurBüro 2012, 423.
[3] AG Münsingen MDR 1981, 1041; Hansens, BRAGO, § 91 Rn 7.
[4] OLG Düsseldorf MDR 1971, 684; JurBüro 1982, 1856; OLG Hamm JMBl NRW 1972, 47; OLG Karlsruhe JurBüro 1984, 541; Hansens, BRAGO, § 91 Rn 7; OLG Hamburg MDR 1971, 685 = Rpfleger 1971, 269.
[5] Hansens, BRAGO, § 91 Rn 8.
[6] Hansens, BRAGO, § 91 Rn 7; Madert, AnwBl 1982, 176, 178.
[7] Hansens, BRAGO, § 91 Rn 7; Madert, AnwBl 1982, 176, 178.
[8] LG Osnabrück 2.6.2020 – 2 Qs 26/20, RVGreport 2020, 346.
[9] LG Berlin AnwBl 1986, 161; Hansens, BRAGO, § 91 Rn 7.
[10] Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., VV 4300–4305 Rn 44.

II. Anfertigung oder Unterzeichnung anderer Anträge, Gesuche oder Erklärungen (Nr. 2)

1. Anfertigung

 

Rz. 7

Für den Gebührentatbestand der Nr. 2 reicht es aus, dass der Anwalt einen Antrag, ein Gesuch oder eine sonstige Erklärung anfertigt, also entwirft. Er muss den Schriftsatz also weder unterzeichnen noch im Original ausgefertigt oder gar auf seinen Briefkopf genommen haben. Es reicht vielmehr aus, dass er dem Auftraggeber eine entsprechende Vorlage zur Verfügung stellt, so dass dieser selbst den Antrag ausfertigen und unterzeichnen kann.

2. Unterzeichnung

 

Rz. 8

Ebenso wie die bloße Anfertigung genügt auch die bloße Unterzeichnung eines Antrags, Gesuchs oder einer anderweitigen Erklärung. Der Anwalt verdi...

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