Rz. 166
Nimmt der Kläger nach der von ihm beantragten Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht die Klage vor Anspruchsbegründung zurück, so ist die dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erwachsene 0,8-Verfahrensgebühr nach VV 3101 aus dem Wert der Hauptsache erstattungsfähig. Stellt der Prozessbevollmächtigte des Beklagten einen Antrag nach § 269 Abs. 4 ZPO, ist zusätzlich eine nach dem Kostenwert bemessene 1,3-Verfahrensgebühr gemäß VV 3100 in den Grenzen des § 15 Abs. 3 zu erstatten.
Hingegen kommt die Erstattung einer vollen 1,3-Verfahrensgebühr seitens des Beklagtenvertreters – ausnahmsweise – dann in Betracht, wenn der Kläger nach vorangegangenem Mahnverfahren trotz Aufforderung gemäß § 697 Abs. 1 ZPO mehrere Monate keine Anspruchsbegründung einreicht und der Beklagte einen Klagabweisungsantrag sowie einen Antrag auf Terminsanberaumung nach § 697 Abs. 3 ZPO stellt, woraufhin die Klagrücknahme erfolgt. Der Antrag nach § 697 Abs. 3 ZPO stellt eine Prozesshandlung dar, die eine 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 begründet.
Rz. 167
Voraussetzung ist jedoch, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten glaubhaft macht (§ 104 Abs. 2 ZPO), dass sein Mandat nicht auf die Erhebung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid beschränkt war, sondern dass er – wie das in aller Regel der Fall ist – von der Partei sogleich mit der Prozessführung beauftragt worden ist. Hierzu genügt bereits die Entgegennahme der Nachricht des Gerichts über den Akteneingang und die der Klägerin erteilte befristete Auflage, weil als glaubhaft gemacht angesehen werden kann, dass der Anwalt anschließend pflichtgemäß prüft, ob etwas für seinen Mandanten zu veranlassen ist. Die Einreichung eines Schriftsatzes ist nicht erforderlich.
Rz. 168
Die im streitigen Verfahren angefallenen Verfahrensgebühren sind auch im vollen Umfang nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO als notwendige Kosten der Rechtsverteidigung erstattungsfähig. Die Partei ist nicht gehalten, ihre Rechtsverteidigung zunächst auf die Erhebung des Widerspruchs zu beschränken. Diese Auffassung stellt allerdings einen Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des BGH dar, wonach im Falle einer nur fristwahrend eingelegten und noch nicht begründeten Berufung die mit dem Rechtsmittel überzogene Partei ohne weiteres Zuwarten einen Rechtsanwalt bestellen darf und die hierdurch entstehenden Kosten auch erstattungsfähig sind. Der BGH hat auf § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO verwiesen, der die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu den erstattungsfähigen Kosten zählt. Daraus ist zu entnehmen, dass eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen dürfe und diese Befugnis stehe uneingeschränkt auch dem Rechtsmittelgegner in einer als risikobehaftet empfundenen Situation zu. In einer solchen Lage befindet sich auch die Partei, die im Mahnverfahren in Anspruch genommen wurde, wenn die Streitsache nach Abgabe an das Prozessgericht dort anhängig geworden ist. Die in Anspruch genommene Partei muss mit der Durchführung der Klage rechnen, nachdem der Antragsteller im Mahnverfahren den Antrag nach § 696 Abs. 1 S. 1 GKG gestellt, die Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens eingezahlt und dadurch die Abgabe an das Prozessgericht bewirkt hat. Sie kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was in dieser Lage des Verfahrens zu ihrer Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Der beklagten Partei kann daher nicht zugemutet werden, ohne den Beistand eines Rechtsanwalts zunächst die Klagebegründung oder die vom Prozessgericht zur Klagebegründung gesetzte Frist abzuwarten.