Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenrecht: Erstattungsfähige Kosten für das abgeschlossene Klageverfahren (schwerbehindertenrechtliches Hauptsacheverfahren)
Orientierungssatz
1.Hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers unstreitig an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mit dem Beklagten - ohne Beteiligung des Gerichts - mitgewirkt, ist eine Terminsgebühr gemäß der 3. Alt. des Abs. 3 der Vorbemerkung 3 VV RVG entstanden. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund das Entstehen der Terminsgebühr beim Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der 3. Alt. des Abs. 3 der Vorbemerkung 3 VV RVG ausgeschlossen sein sollte.
2.Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der Terminsgebühr zielt darauf ab, einen Rechtsanwalt zu entlohnen, der durch außergerichtliche Einigungsbemühungen versucht, eine Beendigung des Verfahrens zu erreichen und damit einen gerichtlichen Termin überflüssig zu machen. Es sollen die Bemühungen um die Erledigung der Sache honoriert werden und den Verfahrensbeteiligten sowie dem Gericht unnötige Erörterungen in einem Gerichtstermin allein im Gebühreninteresse erspart bleiben.
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Aachen vom 02.12.2009 wird dahingehend abgeändert, dass die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren auf insgesamt 409,96 EUR festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der zugunsten des Klägers erstattungsfähigen Kosten für das abgeschlossene Klageverfahren.
In dem schwerbehindertenrechtlichen Hauptsacheverfahren begehrte der Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50. Dabei wandte er sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 27.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2008, mit dem kein GdB von wenigstens 20 anerkannt wurde. In dem Klageverfahren forderte das Gericht diverse Befundberichte an und übersandte diese den Beteiligten zur Kenntnis- und Stellungnahme. Daraufhin gab der Beklagte mit Schriftsatz vom 06.04.2009 ein Vergleichsangebot ab. Darin erklärte er sich bereit, einen GdB von 30 ab November 2008 festzustellen und zudem die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Klageverfahren zu 1/3 zu übernehmen. Am 23.04.2009 erfolgte ein fernmündliches Gespräch zwischen dem Bevollmächtigten des Klägers und Mitarbeitern des Beklagten, in dem eine Einigung über eine Kostenquote von 1/2 hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Klageverfahren und die Beendigung des Streitverfahrens durch Annahme des schriftlichen Vergleichs erzielt werden konnte. Demnach teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Gericht mit Schriftsatz vom 24.04.2009 mit, dass eine Einigung erzielt worden sei und das Vergleichsangebot des Beklagten vom 06.04.2009 mit der Maßgabe angenommen werde, dass die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte übernommen werden. Mit Schriftsatz vom 23.04.2009 teilte der Beklagte mit, dass das Vergleichsangebot hinsichtlich der Kostenquote entsprechend abgeändert werde. Mit Schriftsatz vom 02.05.2009 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers sein Einverständnis hinsichtlich des abgeänderten Vergleichsvorschlags. Der auf diese Weise zwischen den Beteiligten geschlossene schriftliche Vergleich wurde mit Beschluss der Kammer vom 03.09.2009 gemäß §§ 101, 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozeßordnung (ZPO) festgestellt.
Bereits mit Schriftsatz vom 28.07.2009 beantragte der Kläger bei Gericht die Kostenfestsetzung wie folgt:
|
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 RVG |
300,00 EUR |
Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG |
200,00 EUR |
Vergleichsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG |
190,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Fahrtkosten gemäß Nr. 7003 VV RVG |
9,00 EUR |
Abwesenheitspauschale nach Nr. 7005 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
739,00 EUR |
Umsatzsteuer 19 % nach Nr. 7008 VV RVG |
140,40 EUR |
Gesamtsumme |
879,40 EUR |
davon die Hälfte |
439,70 EUR |
In seiner Stellungnahme vom 01.10.2009 teilte der Beklagte unter Bezugnahme auf einen Schriftwechsel zwischen den Beteiligten mit, dass die Höhe der geforderten Kosten unbillig sei. Zum einen könne die Erhöhung der Verfahrensgebühr nicht nachvollzogen werden, lediglich eine Mittelgebühr in Höhe von 250,00 EUR sei zu übernehmen. Zum anderen sei eine Terminsgebühr, hier konkret eine fiktive Terminsgebühr, nicht angefallen. Demnach bestünde lediglich ein Anspruch in Höhe von 290,96 EUR.
In seiner Erwiderung vom 06.10.2009 führte der Kläger aus, dass hinsichtlich der Terminsgebühr eine analoge Anwendung der Nr. 3104 VV RVG in Betracht käme. Es sei kein Grund zu erkennen, warum in Sozialgerichtsverfahren ein schriftlicher Vergleich eine Terminsgebühr auslöst, wenn sich die Gebühren nach Gegenstandswerten richten, nicht aber bei Betragsrahmengebühren. Auch könne aufgrund des Sinns und Zwecks der Anerkennung einer (fiktiven) Terminsgebühr, Einigungen ohne mündliche Verhandlungen zu fördern...