Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensbescheide als Grundlage der Beitragsbemessung bei Selbständigen. Unerträglichkeit der zeitversetzten Beitragsfestsetzung bei Selbständigen

 

Orientierungssatz

1. Sobald ein Einkommensteuerbescheid ergangen ist, hat die Krankenkasse die sich daraus ergebenden Einkünfte der Beitragsbemessung zugrunde zu legen und die vorläufige durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen.

2. Die Praxis der zeitversetzten Beitragsfestsetzung bei Selbständigen kann im Einzelfall zu "ungerechten" Ergebnisses führen. Unerträglich sind diese jedoch nicht.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der endgültigen Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) für die Zeit vom 01.10.2010 bis 30.11.2011 und eine Beitragsnachforderung für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.06.2011 in Höhe von 4.843,44 EUR.

Die 0000 geborene Klägerin ist verheiratet und hat ein Kind. Seit 01.02.2009 ist sie hauptberuflich selbstständig erwerbstätig mit der Herstellung und dem Vertrieb von Werbeschildern. Seitdem ist sie bei der Beklagten freiwillig kranken- und pflegeversichert; die Mitgliedschaft endete zum 31.01.2012. Im Aufnahmeantrag vom 24.02.2009 schätzte die Klägerin die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit auf jährlich 10.000,00 EUR. Einen Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit erhielt sie nicht. Durch bestandskräftige Bescheide vom 28.02., 11.03., 20.03., 26.03., 26.06. und 22.12.2009, 21.08., 22.09. und 23.12.2010 sowie 19.02.2011 setzte die Beklagte die Beiträge zur KV und PV für die Zeit ab 01.02.2009 vorläufig fest. Sie wies darauf hin, dass für die Beitragsberechnung u.a. auch die Höhe der Einnahmen von Bedeutung sei; bis zur Vorlage von Einkommensnachweisen würden die Beiträge unter Vorbehalt nach dem gesetzlichen Mindesteinkommen bemessen. Dementsprechend legte die Beklagte der Bemessung der Beiträge den 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße je Kalendertag zugrunde, konkret: Zeitraum Bemessungsgrundlage Beitragssatz % Beitrag KV PV KV PV 2-6/2009 1.890,00 EUR 14,9 1,95 281,61 EUR 36,86 EUR 7-12/2009 1.890,00 EUR 14,3 1,95 270,29 EUR 36,86 EUR 1-12/2010 1.916,25 EUR 14,3 1,95 274,02 EUR 37,37 EUR 1-6/2011 1.916,25 EUR 14,9 1,95 285,52 EUR 37,37 EUR

Mit Schreiben vom 30.10.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ihr jährlicher Gewinn betrage 8.640,00 EUR; mit Schreiben vom 11.11.2010 teilte sie ein jährliches Einkommen von 27.234,00 EUR mit. Da jedoch noch kein Einkommensteuerbescheid vorlag, beließ es die Beklagte bei der vorläufigen Festsetzung der Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage. Am 25.03.2011 erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2009; danach betrug das Jahreseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit 39.072,00 EUR. Hieraus errechnet sich aus den elf Monaten der selbstständigen Tätigkeit in 2009 ein Monatsbetrag von 3.552,00 EUR. Die Klägerin legte der Beklagten den Einkommensteuerbescheid am 20.07.2011 vor.

Durch zwei Bescheide vom 23.07.2011stellte die Beklagte auf der Grundlage des durch den Einkommensteuerbescheid für 2009 festgestellten Bruttoeinkommens die Höhe der Beiträge zur KV und PV ab 01.02.2009 nach einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 3.552,00 EUR endgültig fest, konkret: Zeitraum Bemessungsgrundlage Beitragssatz % Beitrag KV PV KV PV 2-6/2009 3.552,00 EUR 14,9 1,95 529,25 EUR 69,26 EUR 7-12/2009 3.552,00 EUR 14,3 1,95 507,94 EUR 69,26 EUR 1-12/2010 3.552,00 EUR 14,3 1,95 507,94 EUR 69,26 EUR 1-6/2011 3.552,00 EUR 14,9 1,95 529,25 EUR 69,26 EUR

Für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 30.06.2011 forderte sie Beiträge zur KV in Höhe von 6.933,64 EUR, zur PV in Höhe von 930,42 EUR, insgesamt 7.864,06 EUR nach. Hierauf entfielen auf den Zeitraum vom 01.02. bis 31.12.2009 ein Gesamtbetrag von 3.020,62 EUR.

Dagegen erhob die Klägerin am 02.08.2011 Widerspruch. Sie legte umfangreiche Unterlagen, u.a. erneut den Einkommensteuerbescheid von 2009, einen Jahresabschlussbericht des Steuerberaters für 2009 und einen vorläufigen Bericht des Steuerberaters für 2010 vor. Sie meinte, daraus werde ersichtlich, dass ein deutlich geringeres Einkommen erzielt worden sei.

Aufgrund eines am 29.11.2011 gestellten Beitragsentlastungsantrags der Klägerin setzte die Beklagte durch zwei Bescheide vom 03.12.2011 die Beiträge zur KV und PV ab 01.12.2011 wieder vorläufig fest und bemaß die Beiträge unter Vorbehalt entsprechend den bekanntgegebenen Einkünften nach einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 1.846,67 EUR.

Durch Widerspruchsbescheid vom 16.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die endgültige Bemessung der Beiträge ab 01.02.2009 und die Nachforderung als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 15.02.2012 Klage erhoben. Sie verweist darauf, schon im Oktober 2009 mitgeteilt zu haben, dass ihr Einkommen in 2009 nur ca. 8.640,00 EUR betragen würde; im Laufe des Jahres 2010 habe sie mehrfach telefonisch und persönlich mitgeteilt,...

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