Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verbindlichkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt. Nachschieben einer höheren Kostennote. Zulässigkeit der Nachliquidation wegen Irrtums bei der Berechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle einer irrtümlichen Ansetzung eines Gebührentatbestandes wird die Bindungswirkung der anwaltlichen Gebührenbestimmung durchbrochen; dies gilt auch für eine versehentlich unterbliebene Berücksichtigung der Gebührenerhöhung gemäß Nr 1008 RVG-VV. Insoweit ist eine Änderung der Gebührenabrechnung durch den Rechtsanwalt ebenso wie eine Nachliquidation von Gebühren bzw der Gebührenerhöhung nach Nr 1008 RVG-VV zulässig.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 10. August 2009 (Az. S 91 AS 3…../08) wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungsführer hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsgegner für dieses Erinnerungsverfahren zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Erinnerungsgegner, eine vierköpfige Familie, klagten Anfang Dezember 2008 vor dem Sozialgericht Berlin auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 516,53 €. Es ging dabei um die Übernahme einer Betriebskostennachforderung des Vermieters der Erinnerungsgegner. Der beklagte Erinnerungsführer erkannte im April 2009 die Klageforderung an. Mit Schriftsatz vom 27. April 2009 nahm der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner das Anerkenntnis des Beklagten an und beantragte die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 568,82 €. Dabei rechnete er wie folgt ab:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

250,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

200,00 EUR

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG

 08,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 90,82 EUR

Gesamtbetrag

568,82 EUR.

Der Erinnerungsführer wendete zunächst ein, die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3103 VV RVG auf 170,00 € zu bemessen, da der Bevollmächtigte im Vorverfahren tätig gewesen sei. Nachdem der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner dem widersprach, erklärte der Erinnerungsgegner schließlich mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009, die Kostennote werde anerkannt und der Betrag überwiesen.

Durch Schriftsatz vom 24. Juni 2009 erklärte der Bevollmächtigte, dass er seinen Kostenfestsetzungsantrag auf den Betrag von nunmehr 836,57 € korrigiere. Die höheren Kosten resultierten daraus, dass er nunmehr neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG eine “Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG (3x)„ in Höhe von 225,00 € abrechnete.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. August 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kosten antragsgemäß auf den Betrag von 836,57 € fest.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung vom 08. September 2009, die hier am 10. September 2010 eingegangen ist. Der Erinnerungsführer wendet ein, die am 27. April 2009 geltend gemachten Kosten seien durch ihn anerkannt und am 18.06.2009 überwiesen worden. Der Bevollmächtigte habe im Rahmen seines Ermessens die Gebühren geltend gemacht. Durch die Kostenbegleichung sei die Angelegenheit rechtmäßig und endgültig erledigt. Für das Nachschieben einer höheren Kostennote gebe es angesichts dessen keine Rechtsgrundlage. Durch antragsgemäße Erfüllung sei der Gebührenanspruch aufgebraucht.

Die Erinnerungsgegner verteidigen den angefochtenen Beschluss. Sie meinen, es bestehe ein Anspruch auf Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag. Der Kostenfestsetzungsantrag sei nicht erledigt. Für eine einseitig erklärte Erledigung bleibe kein Raum. Ein Kostenanerkenntnis und eine Annahme dieses Anerkenntnisses lägen nicht vor.

II.

Die Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Unrecht geht der Erinnerungsführer davon aus, dass eine Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Gebührenerhöhung gem. 1008 VV RVG ausgeschlossen ist.

Zunächst kann die Kammer entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers nicht feststellen, dass sich das Kostenfestsetzungsverfahren durch die Zahlung in Höhe von 568,82 € vollständig erledigt hat. Davon könnte nur ausgegangen werden, wenn die nunmehr geltend gemachten Kosten von 836,57 € insgesamt erstattet worden wären. In diesem Falle bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Kostenfestsetzung. Das ist hier nicht festzustellen. Wollte man der Ansicht des Erinnerungsgegners folgen, würde das zudem bedeuten, dass die allgemein anerkannte Nachliquidation von zunächst nicht abgerechneten Kosten bei einer raschen Zahlung durch den Kostenschuldner stets unzulässig wäre (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 197 Rn. 9d m. w. N.).

Die Erinnerung ist auch in der Sache nicht begründet. Die Kammer kommt zum Ergebnis, dass im Falle einer offensichtlich unterbliebenen Berücksichtigung der Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG die Nachliquidation im Umfang der Gebührenerhöhung auch bei Betragsrahmengebühren zulässig ist. Dem steht die gr...

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