Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Wahl der Vertreterversammlung eines Selbstverwaltungsorgans. einstweilige Anordnung während des Wahlverfahrens. Nachrangigkeit des sozialrechtlichen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Nach § 57 Abs 5 SGG sind einstweilige Anordnungen auch während des Wahlverfahrens grundsätzlich zulässig. Da bei Erlass einer einstweiligen Anordnung während des Wahlverfahrens endgültige Voraussetzungen geschaffen werden können, da die Wahl nicht mehr aufgrund einer Entscheidung des Wahlausschusses durchgeführt wird, sondern aufgrund einer einstweiligen Anordnung, sind in diesen Fällen besonders strenge Voraussetzungen bestimmt, die an Stelle der sonst für die einstweilige Anordnung geltenden Voraussetzungen treten.

2. Da der sozialrechtliche Rechtsschutz grundsätzlich nachrangiger Rechtsschutz ist, ist es den Gerichten grundsätzlich nicht erlaubt, der Behörde im Vorhinein den Erlass bestimmter Entscheidungen oder Handlungen zu verbieten oder vorzuschreiben. In der Regel ist daher abzuwarten, bis die Behörde gehandelt hat. Dies gilt auch bei einstweiligen Anordnungen während des Wahlverfahrens.

 

Tenor

Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden zurückgewiesen. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragsteller sind in die Wählerlisten für die Wahlen der 15. Vertreterversammlung (VV) der Antragsgegnerin eingetragen und berechtigt, an der Wahl teilzunehmen. Im KV-Blatt 7/16, Seite 18, informierte die Antragsgegnerin über Einzelheiten der Wahl, u. a. wird auf folgendes hingewiesen:

Der ausgefüllte Stimmzettel wird nach dem Ausfüllen in den Stimmzettel-Umschlag mit dem Aufdruck "Nur für den Stimmzettel" gelegt, der Umschlag wird verschlossen.

Der Wahlschein der unterschriebenen Versicherung, den Stimmzettel persönlich ausgefüllt zu haben, wird zusammen mit dem verschlossenen Stimmzettel-Umschlag in den Briefumschlag mit der Aufschrift "Wahlbrief" gelegt und anschließend wird der Umschlag verschlossen. Die Neuwahl der Vertreterversammlung fand zwischen dem 2. und dem 16. September 2016 statt. Die Wahlbriefe waren mit Ordnungsziffern versehen. Die Stimmenauszählung soll in dem Zeitraum 26. bis 28. September 2016 erfolgen.

Die Antragsteller haben sich am 16. September 2016 an das Sozialgericht gewandt und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie sind der Ansicht, dass gegen zwingend einzuhaltende Wahlgrundsätze verstoßen worden sei. Die Anbringung von Ordnungszahlen auf den Wahlbriefen sei nicht zulässig, da sich eine rechtliche Grundlage hierfür nicht finde. Nach der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssten die Grundsätze für die Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch für die Wahlen von Selbstverwaltungsorganen angewendet werden. Durch die Kennzeichnung der Wahlunterlagen mit Ziffern und deren Korrelation mit einer den Wähler identifizierenden Liste sei es möglich festzustellen, wer bereits gewählt habe. Hierdurch werde ermöglicht, Wahlbriefe noch vor Beginn der Auszählung zu sortieren und ggf. einzelne Wahlbriefe auszusortieren und solche Wähler, die noch nicht gewählt haben, gezielt anzusprechen. Das Wahlergebnis könne so manipuliert werden. Fest stehe, dass der Wahlbeauftragte zehn Mitarbeiter der Antragsgegnerin zur Sortierung der Wahlbriefe für den Zeitraum 2. bis 16. September angefordert habe. Neben der Sortierung der Wahlbriefe in den Räumen der Antragsgegnerin sei durch die Ordnungsziffern ermöglicht worden, die Wähler zu ermitteln und diese in eine Excel-Tabelle einzutragen. Hierdurch werde das Wahlgeheimnis verletzt. Die Reichweite des Grundsatzes der geheimen Wahl erstrecke sich nicht nur auf den Inhalt der Wahlentscheidung, sondern auch auf die Ausübung der Wahl. Weder der Inhalt noch die Information darüber, wer gewählt hat, dürfe in die Hände Unbefugter gelangen. Durch die Aufnahme der Ordnungsziffern in eine Excel-Liste würden nicht nur die Wähler individualisierbar, sondern es würden auch Sozialdaten von Wählern gespeichert. Auch dieses sei rechtswidrig. Es liege auch ein Verstoß gegen die Formenstrenge und das Wahlgeheimnis vor, wenn bereits vor Beginn der Wahlauszählung Bearbeitungsvorgänge, wie die Eintragung in Listen durch Mitarbeiter der Antragsgegnerin, vorgenommen werden. Die Wahlbriefe seien bis zur Auszählung unter Verschluss zu halten. Ein Mitglied des Vorstandes des Antragsgegnerin, das zugleich Kandidat für eine Wählerliste sei, habe am 8. September 2016 im Arbeitskreis der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vor Vorstandsmitgliedern aller Kassenärztlichen Vereinigungen kolportiert, dass bestimmte angestellte Ärzte angeblich erklärt hätten, noch keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Dies habe sich aber noch Überprüfung als unrichtig herausgestellt. Bereits an diesem Beispiel zeige sich, dass eine Rückverfolgung der Stimmabgaben u...

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