Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Hilfeleistung iS des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7. verbale Schlichtung eines Streites. Grenzen des Versicherungsschutzes. überwiegende Selbstschutz- oder Fremdschutzabsicht. Verletzung im unmittelbarem Anschluss an Hilfeleistung
Orientierungssatz
1. "Hilfeleisten" im Sinne von § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7 ist auch bei einem verbalen Eingreifen gegeben, das auf die Schlichtung eines Streites abzielt, denn auch ein solches Eingreifen erfüllt den Tatbestand eines aktiven Handelns zugunsten eines Dritten.
2. Ein aktiv geführter Faustschlag im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einem Angreifer fällt nicht mehr unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn zu diesem Zeitpunkt der Gedanke des (nicht versicherten) Selbstschutzes und nicht der der (versicherten) Fremdrettung überwiegt.
3. Wird der Hilfeleistende jedoch unmittelbar nach seinem verbalen Eingreifen von dem Angreifer verletzt (hier: Schlag in das Gesicht), stellt dies noch eine Verletzung im Rahmen des (versicherten) Hilfeleistens dar.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2008 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 29. Juli 2007 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 29. Juli 2007 als Arbeitsunfall.
Der im Jahr 1986 geborene Kläger stellte sich am 29. Juli 2007 um 16:33 Uhr im H… Klinikum vor und gab an, sich bei einer Schlägerei die rechte Hand verletzt zu haben.
Diagnostiziert wurde dort eine MC 5 Fraktur rechts. Im Erste-Hilfe-Bericht wurde angegeben, dass der Kläger unter Alkohol gestanden habe.
Vom 2. bis 6. August 2007 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im H… Klinikum Berlin zur Plattenosteosynthese.
Am 8. August 2007 stellte sich der Kläger in der Durchgangsarzt-Praxis H…/S… vor. Zum Unfallhergang gab er hier an, dass er am Unfalltag einer Frau, die von drei Unbekannten angegriffen worden sei, zur Hilfe geeilt und hierbei in eine Schlägerei verwickelt worden sei.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren bezüglich eines Arbeitsunfalls ein.
Zum Unfallhergang gab der Kläger im Fragebogen der Beklagten an:
“Am 29. Juli 2007 wurde eine Frau vor einem Dönerimbiss gegenüber vom H…center bespuckt und geschlagen, worauf mein Freund D R und ich eingriffen und die drei Männer im geschätzten Alter von Mitte 20 zur Rede stellten. Daraufhin reagierten diese verärgert und einer der Männer schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Danach werte ich mich sofort und blockte weitere Schläge ab, um nicht schlimmere Verletzungen davon zu tragen und brach mir dabei den kleinen Finger meiner rechten Hand.„
Weiter gab der Kläger an:
“Polizei war vor Ort, um den Konflikt zu schlichten, dennoch wurde dieser Vorfall nicht aufgenommen, da die betroffene Frau zu keiner Aussage und Anzeigeerstattung bereit war.„
Als Zeugen benannte der Kläger D R, M R und P B.
Die Beklagte zog die Akte des von dem Kläger als Zeugen benannten D R bei, der das Ereignis vom 29. Juli 2007 ebenfalls bei der Beklagten als Arbeitsunfall gemeldet hatte. Im Rahmen dieses parallelen Feststellungsverfahrens hatte der Zeuge D R den Unfallhergang wortgleich wiedergegeben. Auch der Zeuge D R gab an, dass die Polizei zum Schlichten vor Ort gewesen sei, den Vorfall jedoch nicht aufgenommen habe, weil die Frau zu keiner Aussage und Anzeige bereit gewesen sei.
Der Zeuge M R gab im Fragebogen der Beklagten zum Unfallhergang an:
“Eine Frau wurde mit Speichel bespuckt und geschlagen. D R wollte der Frau helfen mit seinem Freund S F, dabei stellten sie die drei Männer zur Rede, was das soll. Die drei Männer wurden aggressiv und schlugen auf D. R und S. F zu.„
Der Zeuge P B gab zum Unfallhergang gegenüber der Beklagten an:
“An dem angegebenen Tag wurden wir Zeuge wie mehrere Personen vor einem Dönerimbiss eine Frau bespuckten und schlugen. Als wir die Person auf ihr Fehlverhalten ansprachen schlug einer von Ihnen meinem Freund ins Gesicht. Daraufhin wehrten wir uns und versuchten den Streit zu schlichten. Kurze Zeit später traf dann die Polizei ein und klärte die Situation. Dabei bemerkte ich, dass die Hand von S F anschwoll.„
Mit Bescheid vom 14. November 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 29. Juli 2007 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass ein Versicherungsschutz bereits deshalb ausscheide, weil die Frau zum Unfallzeitpunkt zwar eine widerrechtlich Angegriffene war, sich jedoch nicht in einer erheblichen Gesundheitsgefahr befunden habe.
Der Kläger legte hiergegen mit bei der Beklagten am 4. Dezember 2007 eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Frau im Zeitpunkt seines Eingreifens bereits mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen und bespuckt worden sei.
Au...