Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Verfahrensgebühr. zur Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV. Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern. SGB 2-Bedarfsgemeinschaft. Erledigungsgebühr bei Hilfe bei der Suche nach angemessenem Wohnraum
Orientierungssatz
1. Die Verfahrensgebühr nach Nr 3103 RVG-VV ist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur dann anzusetzen, wenn der Rechtsanwalt bereits im behördlichen Verfahren nach § 86a Abs 3 SGG tätig gewesen ist. War der Rechtsanwalt nur im gewöhnlichen behördlichen Verfahren, also nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, und dann im Hauptsacheverfahren tätig, findet Nr 3103 RVG-VV keine Anwendung.
2. Die Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 RVG-VV entsteht für alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, sofern ihnen Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.
3. Die für den Anfall einer Erledigungsgebühr nach Nr 1006, 1005 RVG-VV erforderliche qualifizierte anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits liegt vor, wenn ein Rechtsanwalt dabei mitwirkt, auf dem Wohnungsmarkt einen angemessenen Wohnraum zu finden, für welchen der Grundsicherungsträger die Kosten übernehmen soll und es aufgrund dessen zu einer Abhilfeentscheidung gekommen ist.
Tenor
Auf die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 22. März 2010 wird die Höhe der PKH-Vergütung auf 581,91 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe
I.
Im Rahmen des Erinnerungsverfahrens streiten die Beteiligten über das Entstehen sowie über die Höhe der anwaltlichen Gebühren.
Gegenstand des am 19. November 2009 bei dem Sozialgericht Darmstadt erhobenen und zugleich mit einer Begründung versehenen Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: S 20 AS 1118/09 ER) gegen die ARGE X-Stadt waren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere die vorläufige Bewilligung von Grundsicherungsleistungen und die Zustimmung zu einem Umzug in eine andere Wohnung. Der Erinnerungsführer vertrat insoweit alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und stellte für die vier Antragsteller einen Antrag auf Prozesskostenhilfe. Nach Bescheiderteilung durch die Antragsgegnerin erklärten die Antragsteller die Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 wurde den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrte der Erinnerungsführer zunächst u.a. die Festsetzung der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 i.V.m. Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 180,00 € +162,00 €, insgesamt Gebühren in Höhe von 430,78 €.
In der angefochtenen Kostenfestsetzung vom 22. März 2010 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Darmstadt die PKH-Vergütung auf 142,80 € wie folgt fest:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
100,00 € |
Postpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
22,80 € |
Gesamt |
142,80 € |
Dagegen hat der Erinnerungsführer am 23. März 2010 Erinnerung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, eine Kürzung der Verfahrensgebühr sei nicht gerechtfertigt. Die Bedeutung der Angelegenheit sei unterbewertet worden. Die existenzielle Betroffenheit habe in hohem Maße die Wahrung der Menschenwürde und damit zweifellos das Merkmal der überdurchschnittlichen Bedeutung erfüllt, da es um eine menschenwürdige Unterbringung gegangen sei. Erhöhend müsse auch berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin zu 1 die deutsche Sprache nicht beherrsche und er mit ihr in der portugiesischen Sprache ohne Einschaltung eines Dolmetschers kommuniziert habe. Zu Unrecht sei die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG nicht berücksichtigt worden. Versehentlich habe er bislang die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG nicht geltend gemacht. Diese sei mit 190,00 € anzusetzen. Es habe sich herausgestellt, dass die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft die ursprünglich ins Auge gefasste Wohnung längst vermietet gehabt hätte. Er sei es gewesen, der bei der Wohnungsbaugesellschaft angerufen habe und sich von ihr ein weiteres Angebot habe erstellen lassen. Erst aufgrund dieser Initiative sei es dazu gekommen, dass es letztlich zu einer Abhilfe durch die Antragsgegnerin gekommen sei.
Der Erinnerungsgegner ist der Auffassung, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG betrage vorliegend 100,00 €, die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG sei nicht entstanden. Es habe sich vorliegend um ein unterdurchschnittliches Eilverfahren gehandelt, außerdem sei es um einen Individualanspruch der Antragstellerin 1 gegangen. Entstanden sei jedoch die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in einer Höhe von 2/3 der Mittelgebühr, also 127,00 €, so dass die anwaltlichen Gebühren mit 293,93 € festzusetzen seien.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Akte des Hauptsacheverfahrens (S 20 AS 1118/09 ER) ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinne...