Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. außergerichtlicher, schriftlicher Vergleich
Orientierungssatz
Sowohl der gerichtliche Vergleich iS von § 278 Abs 6 ZPO als auch der Abschluss eines außergerichtlichen, schriftlichen Vergleichs lösen eine Terminsgebühr nach Nr 3106 S 1 Nr 1 Alt 2 RVG-VV aus.
Tenor
Aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs der Beteiligten vom 11.11.2015, Aktenzeichen: S 1 R 535/13, sind von der Beklagten an außergerichtlichen Kosten
178,50 EUR
- in Buchstaben: einhundertachtundsiebzig, 50/100 Euro -
nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2016 an den Kläger zu erstatten.
Gründe
I.
Mit Schriftsatz vom 01.11.2016 beantragte der Klägervertreter die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Kosten wird auf die Berechnung im Antrag verwiesen.
Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs wurde der Antrag mit Schreiben vom 17.11.2016 an die Beklagte mit der Bitte um Stellungnahme übersandt.
Es besteht zwischen den Beteiligten des Kostenfestsetzungsverfahrens Streit über die Entstehung der Terminsgebühr.
II.
Vorliegend hat die Beklagte ein Vergleichsangebot mit Schriftsatz vom 11.11.2015 unter anderem mit dem Inhalt der Erledigung des Rechtsstreits abgegeben, dass die Gegenseite ohne gerichtliche Mitwirkung im Sinne von § 278 Abs. 6 ZPO mit Schriftsatz vom 07.12.2015 angenommen hat. Bei dieser Konstellation fällt die Gebühr in Höhe von 90 % der angemessenen Verfahrensgebühr nach Nr. 3106 S. 1 Nr. 1, 2. Alt, S. 2 VV RVG an. Es wurde hier ein außergerichtlicher, schriftlicher Vergleich zwischen den beiden Parteien geschlossen, der anschließend das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat. Eine gerichtliche Mitwirkung im Sinne des § 202 SGG, § 278 Abs. 6 ZPO ist nicht erforderlich, weil der Gebührentatbestand den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs gar nicht erfordert. Der Gesetzgeber kennt sehr wohl den Unterschied zwischen dem Entstehen einer Gebühr infolge eines Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne von § 278 Abs. 6 ZPO (vgl. Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG) und dem eines schriftlichen Vergleichs nach Nr. 3106 S. 1 Nr. 1, 2. Alt. VV RVG (vgl. Schneider in: AGS 2016, 76), sodass im Ergebnis sowohl der gerichtliche Vergleich im Sinne von § 278 Abs. 6 ZPO, als auch der Abschluss eines außergerichtlichen, schriftlichen Vergleichs die Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 1 Nr. 1, 2. Alt. VV RVG auslöst.
Darüber nimmt der Sinn und Zweck einer so genannten fiktiven Terminsgebühr die Entlastung der Gerichte durch schnellstmögliche Erledigung der Hauptsache ins Auge.
Durch die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung wird dies völlig konterkariert (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, Nr. 3104, Rn. 69).
Das gewünschte Ziel des Gesetzgebers, die Gerichte nicht nur in der Vermeidung von Verhandlungsterminen, sondern im Allgemeinen zu entlasten, würde nicht erreicht werden, wenn zusätzlich zur bereits bestehenden außergerichtlichen Einigung infolge Annahme des Vergleichsangebotes noch ein deklaratorischer Beschluss des Gerichts im Sinne von § 278 Abs. 6 ZPO gefordert wird.
Zur Zusammensetzung des festgesetzten Betrags wird auf die Berechnung des Klägervertreters im oben genannten Antrag verwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 10970454 |
AGS 2017, 220 |
NJW-Spezial 2017, 445 |