Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine Anrechnung der Geschäftsgebühr aus Beratungshilfe für Tätigkeiten im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren auf die Verfahrensgebühr eines sich anschließenden Gerichtsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe in einem sozialrechtlichen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren tätig, so ist die dort verdiente Geschäftsgebühr der Nr 2503 RVG-VV nicht auf die Verfahrensgebühr des anschließenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.

 

Tatbestand

Die Kläger stritten mit der Beklagten über die Rückforderung von Arbeitslosengeld II. Nach Klageerhebung am 01.09.2008 und Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Beklagten nahmen die Kläger die Klage am 24.10.2008 durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.10.2008 zurück. Bereits mit Beschluss vom 14.102008 war den Klägern ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

Die in dem am 04.11.2008 eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag des Erinnerungsführers vom 03.11.2008 zur Festsetzung aufgeführten Gebühren und Auslagen in Höhe von 408,17 Euro reduzierte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.12.2008 auf 366,52 Euro, weil die Beratungshilfegebühr, die im Verwaltungsverfahren entstanden war, zur Hälfte in Höhe von 35,00 Euro anzurechnen sei.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 12.12.2008 Erinnerung eingelegt und sich zur Begründung auf den Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 18.03.2008 (Az. L 1 B 21107 AL) bezogen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und ausgeführt, es werde dem Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 01.02.2007 (Az. L 12 B 8/06 AS) gefolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die nach § 56 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zulässige Erinnerung ist begründet. Die zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind abweichend von dem Kostenfestsetzungsbeschluss in Höhe von 408,17 Euro festzusetzen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Unrecht die Hälfte der Gebühren der Beratungshilfe auf die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen angerechnet.

Die durchgeführte Anrechnung ist ohne Rechtsgrund erfolgt.

Zwar bestimmt Nr. 2503 des Vergütungsverzeichnisses (VV) der Anlage 1 zum RVG (VV RVG) (bis zum 30.06.2006: Nr. 2603 W RVG: davor § 132 Abs. 2 Satz 2 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte IBRAG01), dass "auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren diese Gebühr zur Hälfte" anzurechnen ist. Mit der Gebühr ist die Gebühr für Beratungshilfe gemeint. In den Gesetzesmaterialien hierzu ist ausgeführt, dass auch die für die Beratungshilfe gezahlte Gebühr auf die Gebühren des Rechtsanwalts für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren angerechnet werden soll (BT-Drucksache 8/3311 S. 16). Dieser Satz wird aber in den Gesetzesmaterialien eingeleitet mit "Wie allgemein nach § 118 Abs. 2 BRAGO". Nach dem seinerzeit geltenden § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ist die in § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO bestimmte Geschäftsgebühr jedoch nur dann auf die entsprechenden Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren anzurechnen, wenn sie außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens entsteht. Durch die Bezugnahme auf § 118 Abs. 2 BRAGO bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die nach dem seinerzeitigen § 132 Abs. 2 Satz 2 BRAGO in Betracht kommende hälftige Anrechnung der Gebühren der Beratungshilfe für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren nur in Betracht kommt, wenn die Beratungshilfe außerhalb eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens erfolgt ist. Das, was für die seinerzeitige Anrechnungsvorschrift des  § 132 Abs. 2 Satz 2 BRAGO galt, hat auch für die nunmehrige inhaltsgleiche Vorschrift im Nr. 2503 W RVG Bedeutung. Die Beschränkung der Anrechnung der Beratungshilfe auf Tätigkeiten außerhalb eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens ist auch deshalb sachgerecht, weil die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG ohnehin schon geringer ist, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist (vgl. zum Vorstehenden LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.03.2008, L 1 B 21/07 AL m.w.N.; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2007, L 12 B 8/06 AS).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Die Beschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage zuzulassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2208941

AnwBl 2009, 312

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