Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. Verfahrensgebühr: Berücksichtigung von Tätigkeiten vor Wirksamwerden der Beiordnung. Einigungs- und Terminsgebühr: Erledigung bzw Verhandlung/Erörterung mehrerer Verfahren
Orientierungssatz
1. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr kommt es nicht nur auf die Tätigkeiten an, die der Rechtsanwalt nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens seiner im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgten Beiordnung erbracht hat. Vielmehr ist der gesamte Zeit- und Arbeitsaufwand einzubeziehen, den der Rechtsanwalt im Verfahren aufgewendet hat.
2. Zur Bemessung der Einigungsgebühr, wenn in einer Sitzung mehrere Verfahren gemeinsam erörtert und im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs zusammen erledigt werden.
3. Werden ohne vorherigen förmlichen Verbindungsbeschluss mehrere Sachen zur Verhandlung bzw Erörterung aufgerufen und ist der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt vertretungsbereit anwesend, entstehen jeweils eigenständige Terminsgebühren.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 1.2.2013 wird unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 8.1.2013 (Aktenzeichen: S 14 AS 4448/11) die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf insgesamt 536,69 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 1.2.2013 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 8.1.2013 (Aktenzeichen: S 14 AS 4448/11) ist gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Erinnerungsführer hat Anspruch auf eine höhere Verfahrens- und Einigungsgebühr als ursprünglich festgesetzt wurde, jedoch nicht in der Höhe, wie er sie beantragt hatte.
Anwendbar ist das RVG, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts (EGV4/2009DG) vom 23.5.2011, BGBl. I 2011, S. 898 (im Folgenden nur RVG), das galt, als der Kläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden Kläger) dem Erinnerungsführer den unbedingten Auftrag zur Klageerhebung erteilte (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG).
Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse, soweit nichts anderes in Abschnitt 8 des RVG bestimmt ist.
Gemäß § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.
Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz (VV RVG).
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie vorliegend - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist (vgl. dazu §§ 183, 184, 197 a des Sozialgerichtsgesetzes - SGG), Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Dabei ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen.
Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Zwar ist die Staatskasse bei der Festsetzung von zu zahlender Vergütung im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe nicht “Dritter„ im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG, sondern Schuldner der Vergütung. Dennoch findet auch zugunsten der Staatskasse eine Billigkeitskontrolle analog § 315 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) statt. Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt bei der Gebührenbestimmung die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG unter Beachtung des ihm obliegenden Spielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30.8.2010 - L 3 SF 6/09 E, zitiert nach juris, Rn. 22; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., München 2013, § 45 Rn. 49 und § 55 Rn. 32; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 28.5.2013 - L 9 AS 142/13 B, zitiert nach juris, Rn. 10).
Die im Hinblick auf die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, weil sie unbillig ist. Die Kammer erachtet eine Verfahrensgebühr in Höhe von 188,00 Euro für angemessen.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal...