Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Begrenzung der Leistungen wegen Überschreitung der Angemessenheitsgrenze. Minderung der tatsächlichen Unterkunftskosten um Betriebskostenguthaben
Orientierungssatz
Betriebskostenguthaben mindern die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen für Unterkunft und Heizung im Anrechnungsmonat, nicht nur lediglich die als angemessen anerkannten Aufwendungen.
Tenor
1. Der Bescheid vom 23.08.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung gewährter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen eines angerechneten Betriebskostenguthabens.
Die Klägerin bezieht seit dem Jahre 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Sie bewohnte durchgehend als alleinige Bewohnerin eine Wohnung auf der L. Straße in D., für die zunächst eine Bruttokaltmiete von 342,56 € anfiel, mit Anpassung der Vorauszahlung für Betriebskosten ab Oktober 2003 eine Bruttokaltmiete von 348,43 €.
Mit Schreiben vom 21.12.2005 forderte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden auch: Beklagter) die Klägerin auf, ihre Kosten für die Unterkunft bis 31.05.2006 zu senken, da diese unangemessen seien. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei eine maximale Bruttokaltmiete von 252,45 € angemessen. Mit Bewilligungsbescheid vom 20.05.2006 erkannte der Beklagte nur noch eine Gesamtmiete von 299,25 € einschließlich Heizkosten von 42,95 € monatlich an. Auch in allen folgenden Bewilligungszeiträumen legte der Beklagte nicht mehr die tatsächliche Miete der Klägerin zugrunde, sondern begrenzte diese auf seine interne Angemessenheitsgrenze.
Mit Bescheid vom 02.05.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin, die über weiteres Einkommen nicht verfügte, Leistungen für den Zeitraum 01.06.2007 bis 30.11.2007 in Höhe von monatlich 644,25 €. Dabei erkannte er für Kosten für Unterkunft und Heizung monatlich 299,25 € an. Die Gesamtmiete der Klägerin für August 2007 betrug 429,86 €.
Am 19.05.2009 ging bei dem Beklagten die Betriebskostenabrechnung der Vermieterin der Klägerin vom 16.07.2007 für den Mietzeitraum 01.10.2005 bis 30.09.2006 ein, welche eine Gutschrift von 60,78 € auswies. Den Verrechnungsscheck über die Gutschrift löste die Klägerin ein; die Wertstellung erfolgte, wie der Beklagte durch am 26.01.2010 eingegangenen Kontoauszug erfuhr, am 24.07.2007.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.08.2010 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid für August 2007 teilweise in Höhe von 60,78 € auf und forderte die Erstattung dieser Summe. Infolge der Betriebskostenabrechnung habe die Klägerin einen geldwerten Vorteil erzielt, der die ab Folgemonat des Zuflusses die Leistungen für Unterkunft und Heizung mindere.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 07.09.2010 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, dass die Handlungsfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 2, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht beachtet worden sei und das Guthaben die tatsächlichen Aufwendungen und nicht die vom Grundsicherungsträger als angemessen erachteten Kosten für Unterkunft und Heizung mindere.
Mit Änderungsbescheid vom 19.10.2010 änderte der Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 23.08.2010 dahingehend ab, dass lediglich eine teilweise Aufhebung von 21,61 € erfolge und nur diese Summe zu erstatten sei, weil man den Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung im August korrigiert habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 wurde der Widerspruch “nach Erteilung des geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides„ als unbegründet zurückgewiesen.
Am 22.11.2010 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie weiter geltend macht, dass die Betriebskostenrückzahlung ihre tatsächlichen Aufwendungen für August 2007 - 423,60 € - minderte. Selbst aber wenn unter “Aufwendungen„ die “angemessenen Aufwendungen„ zu verstehen seien, wäre die Betriebskostenrückzahlung mit der Folge einer niedrigeren Erstattung auf einen höheren Ausgangswert anzurechnen, als es der Beklagte getan hat, da dessen Angemessenheitsgrenze nicht auf einem schlüssigen Konzept beruhe. Auch bei der Aufhebungsentscheidung sei die “richtige„ Angemessenheitsgrenze zu beachten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 23.08.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, dass sich bereits aus den vorangegangenen Sätzen des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II (a.F.) ergebe, dass die angemessenen Aufwendungen zu mindern seien. Andernfalls würden im Ergebnis zum Teil unangemessene Kosten anerkannt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, welche zum Zeitpunkt der Entsch...