Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehen einer fiktiven Terminsgebühr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Eine Klaglosstellung kann im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht regelmäßig als Anerkenntnis ausgelegt werden. Die Behörde ist nämlich grundsätzlich immer verpflichtet, eine Bewilligung auszusprechen, sobald sie erkennt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ein solches gesetzmäßiges Verhalten führt nicht notwendig zum Anfall einer fiktiven Terminsgebühr.
2. Das Entstehen einer fiktiven Terminsgebühr setzt voraus, dass eine mündliche Verhandlung grundsätzlich hätte stattfinden müssen. Im Eilverfahren muss das Gericht eine mündliche Verhandlung durch führen. Es entscheidet grundsätzlich durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung.
Tenor
Die Erinnerung des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 11.08.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die nach § 197 SGG statthafte Erinnerung hat keinen Erfolg.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin kann nicht die Festsetzung höherer Gebühren verlangen, als dies im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.07.2006 erfolgt ist.
Insbesondere kann er nicht eine höhere fiktive Terminsgebühr gemäß Ziff. 3106 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV RVG) verlangen. Er hatte mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 25.04.2006 insofern 200 EUR beantragt. Festgesetzt hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) eine Gebühr von 87,50 EUR, weil der Antrag insofern unbillig sei und nach den Kriterien des RVG die festgesetzte Gebühr angemessen sei.
Dies ergibt sich daraus, dass nach Auffassung des Gerichts überhaupt keine fiktive Terminsgebühr angefallen ist.
Zunächst einmal liegt kein Fall eines angenommenen Anerkenntnisses vor. Die Antragsgegnerin hat auf den Eilantrag hin über den Fortzahlungsantrag der Antragstellerin entschieden und Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von April 2006 bis Juli 2006 bewilligt. Verbunden mit der Mitteilung hierüber an das Gericht hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 10.04.2006 das Verfahren für erledigt erklärt. Nachdem die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20.04.2006 auch noch die Kosten dem Grunde nach übernommen hatte, erklärte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.04.2006 das Verfahren ebenfalls in der Hauptsache für erledigt.
An diesen Erklärungen müssen die Beteiligten bzw. ihre Vertreter und/oder Bevollmächtigten sich festhalten lassen. Eine Auslegung der Erklärungen als Anerkenntnis auf Seite der Antragsgegnerin und als Annahme des Anerkenntnisses auf Seite des Bevollmächtigten der Antragstellerin ist ausgeschlossen, da der Wortlaut eindeutig ist und es sich um juristisch ausgebildete Personen handelt, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie die von ihnen verwendeten prozessualen Fachbegriffe so meinen, wie sie nach dem Prozessrecht zu verstehen sind. Eine Klaglosstellung kann insbesondere in einstweiligen Anordnungsverfahren nicht regelmäßig als Anerkenntnis ausgelegt werden, weil diese ja nur den geltend gemachten materiellen Anspruch (also den Anordnungsanspruch) befriedigt und damit gegebenenfalls sinngemäß anerkennt, die Frage des Anordnungsgrundes (also der besonderen Eilbedürftigkeit, die eine Vorwegnahme der Hauptsache eventuell rechtfertigt) aber überhaupt nicht betrifft. Die Behörde ist aufgrund des Gesetzmäßigkeitsprinzips verpflichtet, im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens eine Bewilligung auszusprechen, wenn sie erkennt, dass die Voraussetzungen vorliegen. Dass sie für dieses gesetzmäßige Verhalten nicht notwendig eine fiktive Terminsgebühr tragen muss, erscheint auch nicht unbillig.
Weiterhin ist eine fiktive Terminsgebühr deshalb ausgeschlossen, weil diese - unterstellt man ein angenommenes Anerkenntnis, von dem wohl der frühere Kammervorsitzende in seiner Erledigungsverfügung vom 26.04.2006 und auch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle im Kostenfestsetzungsbeschluss ausgingen - in einstweiligen Anordnungsverfahren nach dem Sinn und Zweck der Ziff. 3106 des VV RVG nicht anfällt, da diese Gebühr voraussetzt, dass eine mündliche Verhandlung grundsätzlich hätte stattfinden müssen. Dies ist nicht der Fall.
Die 44. Kammer des Gerichts hat mit Beschluss vom 31.08.2007 - S 44 AS 43/06 ER - zur Begründung dieser Auffassung ausgeführt:
"Nach der vorliegend allein in Betracht kommenden Nr. 3106 Anm. Ziff. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr zwar auch dann, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Es sei dahingestellt, ob das Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2006 als (konkludentes) Anerkenntnis zu werten ist. Hierauf kommt es nicht an, denn auch wenn man dies bejaht, kommt Nr. 3106 Anm. Ziff. 3 VV RVG nicht zur Anwendung. Die Vorschrift verlangt, dass das Verfahren ohne mündliche Verhandlung endet. Hier fand zwar keine mündliche Verhandlung statt, so dass diese Voraussetzung bei wörtlichem Verständnis erfüllt ist.
Die Vorschrift ist jedoch so auszulegen, dass über das Nichtstattfinden einer mündlich...