Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Darbietung als auch die Lehre des Bollywood-Tanzes und Kathak-Tanzes sind dem Bereich der darstellenden Kunst zuzuordnen
Leitsatz (amtlich)
1. Sowohl die Darbietung als auch die Lehre des "Bollywood-Tanzes" und "Kathak-Tanzes" lassen sich dem Bereich der darstellenden Kunst im Sinne des § 2 S 1 KSVG zuordnen.
2. Die Tänze müssen dabei nicht auf einer "klassischen" Bühne zur Aufführung gebracht werden. Ausreichend ist bereits die öffentliche Aufführung vor Publikum.
Orientierungssatz
Az beim LSG Berlin-Brandenburg: L 1 KR 55/13.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 31.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2008 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin seit dem 02.10.2007 nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) in der Renten-, gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
Am 02.10.2007 beantragte die 1982 geborene Klägerin bei der Beklagten die Aufnahme in die Künstlersozialkasse ab 01.10.2007. Im Antrag gab sie an, sie sei Tänzerin. Aus den beigefügten Unterlagen ergab sich zudem, dass sie an verschiedenen Tanzdarbietungen insbesondere aus dem Bereich des so genannten “Bollywood-Tanzes„ und der klassischen indischen Tänze mitwirkt sowie daneben als Tanzlehrerin für die vorgenannten Tänze tätig ist.
Mit Bescheid vom 31.01.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie unterliege nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG. Es handele sich bei der Tätigkeit der Klägerin als Tänzerin nicht um eine künstlerische Tätigkeit. Die Tanzdarbietungen ließen sich nicht dem künstlerischen Wirkbereich zuordnen. Vielmehr trete die Klägerin im Rahmen von Banketten und Tanzshow-Veranstaltungen etc. auf. Notwendig sei hingegen die Aufführung von Tänzen im klassischen Wirkbereich der darstellenden Kunst, d. h. im Ballett, dem modernen Tanztheater, der Oper oder dem Varieté.
Hiergegen erhob die Klägerin am 27.02.2008 Widerspruch. Zur Begründung verwies sie darauf, es sei unerheblich, ob die Tänze auf einer klassischen Bühne aufgeführt würden. Bei den Tanzstücken selbst handele es sich um eigene Choreographien, in denen der indische Tanz die Grundlage bilde und eine Verbindung zum klassischen europäischen Tanz hergestellt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch nunmehr mit der Begründung zurück, die Lehrtätigkeit der Klägerin im Bereich des klassischen indischen Tanzes sei als Vermittlung praktischer Fähigkeiten im Bereich des Breiten- bzw. Freizeitsports einzustufen. Demnach handele es sich nicht um eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des KSVG. Im Übrigen seien auch Tänze, die der Folklore zuzuordnen seien, nicht als künstlerische Tänze einzustufen. Es fehle insoweit an einem ausreichenden künstlerisch geprägten Gestaltungsspielraum.
Mit der am 28.08.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wird u. a. darauf abgehoben, die Klägerin sei lediglich nebenberuflich als Tanzlehrerin tätig. Im Mittelpunkt ihrer Arbeitszeit stünde inklusive der Auftrittsvorbereitung, d. h. dem Training, dem Entwerfen von Kostümen und der Entwicklung der Choreographie, die darstellende Tätigkeit als Bühnentänzerin. Hierauf verwende sie ca. 70 Prozent ihrer Gesamtarbeitszeit. Die Tanzvorführungen selbst ließen sich im Übrigen zumindest dem Bereich des Varietés zuordnen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 31.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin seit dem 02.10.2007 nach § 1 KSVG in der Rentenversicherung der Angestellten, der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Begründung entspricht im Wesentlichen dem Inhalt der streitgegenständlichen Bescheide.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht die Beauftragte für den Orientalischen Tanz im Deutschen Tanzsportverband e. V. (DTV) S. schriftlich befragt. Neben einer eingehenden Beschreibung des von der Klägerin praktizierten auf aufgeführten “Bollywood-„ und indischen “Kathak-Tanzes„ führte diese in ihrem Schreiben an das Gericht vom 08.06.2011 aus: Beide Tanzarten würden weder als Breitensportdisziplin im DTV betrieben noch als Tanzsportdisziplin in Deutschland erfasst. Sie würden keinem tanzsportverbandlichen Regelwerk unterliegen. Beim “Bollywood-Tanz„ würde es sich im Übrigen um einen zeitgenössischen modernen indischen Tanz handeln, der verschiedene klassische indische, volkstümliche aber auch moderne Tanzelemente vereint. Der “Kathak-Tanz„ sei demgegenüber ein klassischer indi...