Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV. Leistungsklage. vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren. sachlicher Zusammenhang. Synergieeffekt
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einer reinen Leistungsklage kann der Gebührenrahmen Nr 3103 VV-RVG (juris: RVG-VV) anstatt Nr 3102 VV-RVG einschlägig sein, wenn der Rechtsanwalt im Verwaltungsverfahren mit dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt befasst war und sich Synergieeffekte ergeben.
2. Weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Nr 3103 VV-RVG ist für deren Anwendung Voraussetzung, dass ein Verwaltungsakt Gegenstand des vorausgehenden Verwaltungsverfahrens sein muss. Ein enger sachlicher Zusammenhang des Gegenstandes des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens ist ausreichend.
Tenor
Die Erinnerung vom 07.05.2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Gießen vom 18.03.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Im Streit zwischen den Beteiligten steht die Höhe der zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung für das Verfahren S 25 AS 844/08.
Der Erinnerungsführer stand im laufenden Leistungsbezug des Erinnerungsgegners nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - . Er zog während des Leistungsbezugs in die C-Straße in A-Stadt um. Im Zusammenhang dieses Umzugs gewährte der Erinnerungsgegner dem Erinnerungsführer zwei Darlehen: Eines für die Mietkaution und eines für die Beschaffung von Möbeln bzw. einer Kücheneinrichtung. Aufgrund des schriftlichen Darlehensvertrags über die Mietkaution vom 15.08.2006 behielt der Erinnerungsgegner ab September 2007 monatlich 30,00 Euro zur Rückzahlung des Darlehens von den laufenden Leistungen ein. Hiergegen wandte sich der Erinnerungsführer im September 2007 zunächst selbst und schließlich durch seinen Prozessbevollmächtigten, der zwei Schreiben vom 19.02.2008 und vom 12.03.2008 in dieser Sache an den Erinnerungsgegner richtete. Im letzteren wies er insbesondere darauf hin, dass eine Aufrechnung, wie von dem Erinnerungsgegner vorgenommen, rechtswidrig sei.
Mit Schreiben vom 21.03.2008 hatte der Erinnerungsgegner dann zwar mitgeteilt, dass er die Leistungskürzung zur Darlehenstilgung rückwirkend ab September 2007 einstelle, gleichzeitig teilte er jedoch mit, dass er nun im Wege der Aufrechnung nach § 23 Abs. 1 SGB II a.F. die monatliche Leistungskürzung von September 2007 bis März 2008 zur Tilgung des Darlehens für die Möbel einbehalte.
Der Erinnerungsführer erhob durch seinen Prozessbevollmächtigten am 07.07.2008 Klage unter dem Aktenzeichen S 25 AS 844/08. Er begehrte die Auszahlung von 210,00 Euro (30,00 Euro á 7 Monate von September 2007 bis März 2008).
Mit Schreiben vom 15.07.2008 gab der Erinnerungsgegner ein Anerkenntnis ab, was der Erinnerungsführer mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 05.08.2008 annahm.
Mit Schreiben vom 20.08.2008 gab der Erinnerungsgegner des Weiteren ein Kostengrundanerkenntnis ab.
Mit Rechtsanwaltsgebührenrechnung vom 27.08.2008 machte der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers gegen den Erinnerungsgegner folgende Gebühren und Auslagen geltend:
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1. Verfahrensgebühr |
Nr. 3102 VV RVG |
250,00 Euro |
2. Terminsgebühr |
Nr. 3106 VV RVG |
200,00 Euro |
3. Pauschale |
Nr. 7002 VV RVG |
20,00 Euro |
4. MwSt 19% |
Nr. 7008 VV RVG |
89,30 Euro, |
Insgesamt |
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559,30 Euro |
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.03.2009 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entsprechend des Antrags des Erinnerungsgegners folgende Gebühren und Auslagen fest:
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1. Verfahrensgebühr |
Nr. 3103 VV RVG |
170,00 Euro |
2. Terminsgebühr |
Nr. 3106 VV RVG |
200,00 Euro |
3. Pauschale |
Nr. 7002 VV RVG |
20,00 Euro |
4. MwSt 19% |
Nr. 7008 VV RVG |
74,10 Euro, |
Insgesamt |
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464,10 Euro |
Er führte insbesondere unter Hinweis auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 08.01.2009, L 5 SF 154/08 R aus, dass die Gebühr Nr. 3103 VV RVG eine Sondervorschrift zu Nr. 3102 VV RVG darstelle, die lediglich voraussetze, dass ein Verwaltungsverfahren überhaupt stattgefunden habe, was vorliegend der Fall gewesen sei.
Der Beschluss vom 18.03.2009 wurde dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers am 07.04.2009 zugestellt.
Mit der am 07.05.2009 erhobenen Erinnerung wendet sich der Erinnerungsführer gegen die Berücksichtigung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG anstatt nach Nr. 3102 VV RVG. Er ist insbesondere der Ansicht, dass der Anfall der Gebühr Nr. 3103 VV RVG zur Voraussetzung habe, dass Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ein Verwaltungsakt, der Gegenstand eines behördlichen Verfahrens - Verwaltungsverfahrens und/oder Widerspruchsverfahrens - gewesen sei, in dem der Rechtsanwalt tätig gewesen sei.
Der Erinnerungsführer beantragt (sinngemäß),
eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr von 250,00 Euro anstatt nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 170,00 Euro festzusetzen,
Der Erinnerungsgegner beantragt (sinngemäß),
die Erinnerung zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen in...